Liebe auf den ersten Klick
sehe, dass er mir abermals lächelnd winkt. Ich nehme hastig Reißaus und hämmere auf den Aufzugknopf ein, als hinge mein Leben davon ab.
Mit einem Schaudern verlasse ich den Lift und betrete meine graue, von Neonlicht erhellte Abteilung. Christie giggelt mit irgendjemandem am Telefon und klebt mir einen Post-it-Zettel in die Hand. »Schnuti sucht dich überall!«, hat sie draufgekritzelt und das »i« mit zwei Punkten als Augen und langen Wimpern versehen. Wieso sucht Schnuti nach mir? Normalerweise lässt sie sich nie hier blicken. Ich baue mich vor Christies Schreibtisch auf und bedeute ihr, endlich aufzulegen.
»Okay, ich muss langsam Schluss machen. Meine Chefin ist da … nein, nicht die mit dem komischen Mund.« Ihr Blick fällt auf mich. »Ja, genau die! Gut, dann … ciao, ciao … ja, bis dann, Küsschen … bye … bye. Nein, leg du zuerst auf.« Ich drücke die Taste und beende das Gespräch.
»Wer war das?«
»Ach, dieser Stuart von Printech.« Sie sieht mich an. Ich frage mich, wie sie es schafft, dass dieser pornostar mäßige Lipgloss auf ihren Lippen hält. Sie tippt sich mit dem Finger gegen den Nasenflügel. »In dieser Branche ist nicht wichtig, was du kannst, sondern wen du kennst.«
»Ach ja? Diesen ›Stuart von Printech‹ kennst du ja offenbar sehr gut.«
Versonnen blickt sie ins Leere. »Ja …«
»Christie! Was hat Schnuti gesagt?«
»Oh. Ach ja. ›Wo ist Viv?‹, und ich habe geantwortet: ›In einem Meeting.‹ Und sie dann: ›Mit wem denn?‹, und ich: ›Keine Ahnung‹. Und sie: ›Dann sehen Sie gefälligst in ihrem Terminkalender nach.‹, was ich auch getan habe, aber da stand nichts, deshalb meinte sie, ich soll dir sagen, dass sie dich suche.«
»Scheiße.« Ich checke meine Mails, aber es ist keine von ihr eingegangen … ebenso wenig von Rob, fällt mir auf. Ich werde ihr einfach erzählen, ich hätte ein Problem mit dem Computer gehabt und kurz in die IT-Abteilung gehen müssen. Was ja auch stimmt … im Prinzip. Nervös wähle ich ihre Durchwahl. Ich weiß, dass sie mich nach Christies Auftritt von neulich auf dem Kieker hat. Ihr Anrufbeantworter springt an. Ich hinterlasse eine gut gelaunte Nachricht.
Den Rest des Vormittags telefonieren wir mit Lieferanten, bestellen Muster und kalkulieren die Kosten. Taschenspiegel aus rotem Leder, Schals mit Leo- und Zebraprint und Ethno-Perlenketten sind derzeit unsere Favoriten, außerdem haben wir Duftkerzen im skandinavischen Folklore-Stil, Clutch-Taschen mit Tigermuster und Minischokofondues mit Marshmallows in der engeren Auswahl. Erst als Christie in die Mittagspause verschwindet, merke ich, dass ich geschlagene zwei Stunden nicht an Rob gedacht habe.
Es ist so brütend heiß, dass die Säume meines Leinenkleids an meiner Haut kleben bleiben, als ich mich über ein Präsentationsboard beuge, um die Fotos zu arrangieren. Am Montag werden wir unsere Ideen den Chefeinkäufern näherbringen, und diesmal wird nicht nur Schnuti dabei sein, sondern auch Miss Boje, die eine echt harte Nuss ist. Ich muss Christie dringend warnen, die Klappe zu halten – wenn sie erst einmal Blut geleckt haben, sind wir geliefert.
Ich treffe mich mit Lucy im Noodles Quick! in der Nähe der Bond Street. Sie trägt ein sexy Businessoutfit: weiße Bluse zu einem grauen Bleistiftrock. Wir quetschen uns auf eine Bank zu einer Horde lärmender Anzugträger. Lucy bestellt sich eine Schüssel klare Nudelsuppe, in der ein paar Meeresfrüchte herumschwimmen wie in einem makabren Aquarium. Ich entscheide mich für ein Gericht namens Chick-a-doodle, das sich als gebratene Nudeln mit Hühnchen entpuppt. Beide Gerichte werden innerhalb von Sekunden serviert. Lucy isst laut schlürfend mit Stäbchen, den Kopf tief über ihre Suppenschüssel gebeugt, während ich in meinen Nudeln herumstochere und überlege, wie ich ihr beibringen soll, dass ich mich am Freitag mit Rob treffen werde. Außerdem will ich ihr unbedingt das Foto zeigen, das ich wieder aus dem Papierkorb gefischt habe, damit sie Sam unter die Lupe nehmen kann.
»Wer war das eigentlich neulich unter deiner Decke?«, brülle ich über die Geräuschkulisse hinweg.
Mit gerunzelter Stirn saugt sie ein paar herrenlose Nudeln zwischen die Lippen. »Was? Unter welcher Decke?«
»Der Typ, wegen dem du am Telefon nicht reden konntest.«
Einen Moment lang sieht sie mich ratlos an, dann fällt es ihr ein. »Ach ja, das war Reuben«, antwortet sie verträumt.
»Du hast ihn noch nie erwähnt. Was ist das
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