Liebe auf den letzten Blick
übernachtet«, beginnt Irma, schiebt sich ein Kissen ins Kreuz und verkreuzt die Beine zum Schneidersitz.
»Weiß ich.« Erleichtert lehne ich mich ebenfalls ins Kissen zurück. »Wir haben ja alle ziemlich zugeschlagen. Aber es war saulustig, ich habe mich schon ewig nicht mehr so gut amüsiert. Schläft Otto noch?«
»Nein, er hat eine Menge Termine und musste früh los«, erklärt Irma. »Aber bevor er gegangen ist, hatten wir noch ein wichtiges Gespräch.«
Wichtige Gespräche
sind mir grundsätzlich suspekt. Bei dem letzten
wichtigen Gespräch
hat man mich in den Vorruhestand geschickt.
»Otto hat …«, setzt Irma an und stockt wieder.
Ich reiche ihr den Orangensaft. »Geldprobleme?«, tippe ich. »Wie dieser Schauspieler, der durch Fehlinvestitionen sein gesamtes Vermögen verlor. Er tingelt zurzeit durch die Talkshows und bettelt um Spenden.«
Irma lacht amüsiert auf. »Otto und finanzielle Probleme? Nein, nein, ganz im Gegenteil. Sogar du würdest ihn als wohlhabend bezeichnen.«
»Er ist hoffentlich nicht krank?«, frage ich. »Nun red schon, ich sehe doch, dass es sich um etwas Schwerwiegendes handelt. Wir sind Freundinnen«, betone ich. »In guten wie in schlechten Zeiten!«
»Ich habe seinen Heiratsantrag angenommen!«, platzt es nach einem tiefen Seufzen aus ihr heraus.
In Erinnerung an Ottos Kniefall muss ich so heftig lachen, dass die Hälfte meines Kaffees aufs Tablett schwappt. »Was einem Schauspieler in umnebelter Stimmung alles einfällt, einfach unglaublich.«
»Der Antrag war ernst gemeint«, antwortet sie leise und trinkt danach ihren Orangensaft in einem Zug, als müsse sie den Geschmack bitterer Medizin hinunterspülen.
»Wie bitte?« Ich bin damit beschäftigt, den Kaffee mit den Papierservietten aufzuwischen. Und im Alter lässt ja auch das Gehör nach, was mir regelmäßig beim Fernsehen auffällt. Aber da reicht ein Knopfdruck auf die Fernbedienung.
»Na ja, genau genommen wäre es ein Arrangement«, erklärt Irma. »Otto hat schon mehrmals etwas in der Richtung angedeutet. Ich dachte immer, er witzelt nur so rum. Lange Rede kurzer Sinn: Die Gerüchte –«
An dieser Stelle unterbreche ich sie. »Ah, jetzt fällt der Groschen: Es geht um eine Scheinehe!«
»So ähnlich«, sagt sie und zupft verlegen an ihrer Nagelhaut. »Otto ist die Gerüchte um seine Homosexualität einfach leid. Als er noch jünger war, hat er sich schon mal schmusend mit attraktiven Kolleginnen fotografieren lassen, um vom Publikum als Liebhaber akzeptiert zu werden. Mit seinen dreiundsiebzig wäre das jedoch lächerlich. Das allein ist aber nicht derGrund für seinen Antrag. Er ist auch für eine Rolle im Gespräch, wo er als verheirateter Mann bessere Chancen hätte. Mehr soll ich noch nicht verraten.«
»Dann heirate ihn doch, wenn du damit ihm einen Gefallen tun kannst«, antworte ich schulterzuckend. »Rock Hudson war doch auch mal zum Schein verheiratet, um glaubwürdig den Frauenhelden mimen zu können.«
»War er«, bestätigt sie. »Und da Otto und ich schon so lange befreundet sind, vertraut er mir voll und ganz. Ich würde sein Geheimnis nie an die Presse verraten.«
»Wer weiß schon, wie viele verheiratete Schauspieler eigentlich schwul sind«, entgegne ich. »Davon abgesehen, kann keiner nachweisen, dass ihr euch nicht liebt, was ihr im Grunde ja tut. Nur eben platonisch. Noch Kaffee?«
Irma schüttelt den Kopf, doch ihre Miene bleibt angespannt. Ich verstehe, dass sie mir noch mehr zu sagen hat. »Das war noch nicht alles, oder?«
Sie nickt und senkt den Blick. »Otto möchte … Also ich soll …«, stottert sie, sichtlich nervös. »Er will, dass wir zusammenziehen.«
»Wie, zusammenziehen?«
»Na ja, ich soll in seine Villa einziehen, damit es offiziell ist«, antwortet sie beinahe flüsternd. »Außerdem besitzt er doch dieses riesige Anwesen, das ihm allein viel zu groß ist. Und er möchte, dass ich ihn auf seinen Reisen begleite.«
Ihre Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. Einen Moment später, begreife ich die Tragweite von Ottos Ansinnen. Das waren wohl die »großen Ereignisse«, die Amelie in den Karten gesehen hat.
»Und was wird aus unserer WG?«, frage ich. »Eben gegründet und sieben Tage später erweist sich das Ganze als Flop?«
»Genau darüber will ich ja mit dir sprechen«, erwidert sie kleinlaut.
»Was gibt’s denn da noch groß zu besprechen?«, fahre ich sie an. »Möchtest du meine Erlaubnis, um dein schlechtes Gewissen zu
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