Liebe auf den letzten Blick
beruhigen? Das kannst du vergessen!«
»Bitte, Mathilde«, fleht sie. »Gib mir eine Chance, alles zu erklären. Ich bin sicher, du wirst es verstehen.«
»Na gut, ich höre«, gebe ich nach. Auch weil ich neugierig bin, was es mit diesem
Arrangement
auf sich hat.
Mit Erstaunen vernehme ich, dass Otto ihr sein gesamtes Vermögen hinterlassen möchte und sie nach seinem Tod obendrauf eine nicht unbeträchtliche Privatrente bekäme.
»Du kennst meine Angst, im Alter am Hungertuch nagen zu müssen«, betont sie. »Erst von kurzem hat mir mein letzter Rentenbescheid die Tränen in die Augen getrieben. Auf eine nette Abfindung wie du sie bekommen hast, kann ich nicht hoffen. Alt gewordenen Friseurinnen droht eher die vorzeitige Entlassung, wenn sie über das anstrengende Stehen stöhnen. Als Ottos Frau wäre ich alle Sorgen los. Ich kann aufhören zu arbeiten und die Beine hochlegen, statt sie mir in den Bauch zu stehen. Und ich müsste auch meine Haare nicht mehr färben und was ich sonst noch so unternehme, um über mein Alter hinwegzutäuschen.«
»Tja, wenn alles nach deinen Wünschen läuft, kannst du in Ehren ergraut am
Hummertuch
nagen«, entgegne ich spöttisch. »Für mich klingt das Ganze trotzdem ziemlich seltsam. Überleg doch mal, Otto hat doch Familie. Irgendeiner seiner Verwandten weiß wahrscheinlich um seine Veranlagung und wird Verdacht schöpfen. Sie werden gerichtlich gegen dich vorgehen und dann ade du wunderschöner Traum von Reichtum und Sorglosigkeit. Oder ist Otto vielleicht krank undsucht nur eine billige Pflegerin? Das hört man immer wieder. So was nennt man Honigfalle.«
»Nein, Otto fehlt nichts. Na gut, er raucht, aber das ist sein einziges Laster. Ansonsten ist er kerngesund, achtet auf ausgewogene, gesunde Ernährung und macht regelmäßig Sport«, beruhigt sie mich. »Du hast doch gestern Abend selbst mitgekriegt, wie er mit uns getanzt hat, er ist total fit. Aber er hat Angst, zu vereinsamen und allein zu sterben. Eines Tages einfach umzufallen und keiner merkt’s.«
»Oh, das klingt für mich aber eher nach einem Job als Privatsekretärin, die ihm zusätzlich den Haushalt führt«, folgere ich. »Oder anders ausgedrückt: Rundumversorgung zum Nulltarif!«
Irma schüttelt den Kopf. »Nein. Otto hat Personal, das ihm sämtliche Hausarbeit abnimmt. Ich würde bei ihm nie wieder putzen müssen.«
»Soso. Personal. Wie angenehm.« Ich werde zynisch. »Du kannst also bequem auf seinen Tod warten. Laut Statistik sterben Männer sowieso früher als Frauen. Sobald er stirbt, bist du ’ne reiche Witwe!«
»Das stimmt nur teilweise«, widerspricht Irma, hebt den Kopf und blickt mich herausfordernd an. »Otto besteht nämlich darauf, mir eine monatliche Apanage zukommen zu lassen. Er meinte, das sei nur gerecht, wenn ich meinen Job für ihn aufgebe und er mich quasi als Ehefrau
engagiert
. Und Qualität bekäme man eben nicht für lau. Du kennst ja seinen Humor.«
»Na, dann ist ja alles
Gold-bach
«, entgegne ich mürrisch. Diese Unterhaltung macht mich langsam wütend. »Wozu noch lange diskutieren? Du scheinst dich längst entschlossen zu haben, seine Frau zu werden. Falls du eine Brautjungfer suchst, frag Amelie.«
»Entschuldige, Mathilde«, bittet sie kleinlaut. »Es ist mirschon klar, was ich dir zumute. Aber vorhin hast du selbst gesagt, du wärst meine beste Freundin, in guten wie in schlechten Zeiten. Stell dir vor, Otto hätte mir den Antrag
vor
unserer WG-Gründung gemacht. Dann hättest du mir doch bestimmt geraten, ihn anzunehmen, oder?«
Wie bitte? Jetzt schiebt sie mir die Verantwortung zu! Mir platzt der Kragen. »Hypothetisch werden kann ich auch«, gebe ich wütend zurück. »Ohne Geld würdest du Otto nämlich nicht heiraten.«
Irma schubst verlegen ihr Kissen zurecht. »Doch, würde ich!«, erklärt sie dann trotzig. »Vielleicht erinnerst du dich, dass ich genau das gestern Abend gesagt habe. Logisch ist es angenehm, dass Otto kein armer Schlucker ist. Sieh es doch mal positiv«, versucht sie abzulenken. »Mit mir ziehen auch das Chaos und die Plüschenten aus.«
»
Positiv
?«, wiederhole ich. Nur mit allergrößter Mühe gelingt es mir, mich zu beherrschen. »In diesem Fall bedeutet es wohl eher das Gegenteil. Wenn du ausziehst, nage
ich
nämlich bald am Hungertuch. Wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich den Makler und die astronomische Ablöse für die Einbauküche bezahlt, wodurch meine Rücklagen auf fast null geschrumpft sind. Und vielleicht darf ich
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