Liebe auf den letzten Blick
Gartenarbeit Spaß machen«, entgegnet er. »Wäre der ideale Ausgleich zu meiner Schreibtischhockerei.«
Ich ergreife die Gelegenheit, um ihn nach seinem Studium zu fragen.
»Architektur«, antwortet er. »Schwerpunkt energieeffizientes Bauen. Das Null-Energie-Haus ist ja keine Utopie mehr. Wärmerückgewinnung macht’s möglich. Auch Wärmeerzeugung durch Bewegung ist eine hochspannende Thematik. Ein Rotterdamer Unternehmen hat vor kurzem eine Straßenplattemit eingelassenen Mikrosensoren entwickelt, die Strom produzieren, wenn die Passanten darüberlaufen. Auch in Toulouse gibt es eine Versuchsstrecke mit diesem ›intelligenten Trottoir‹. Die Fußgänger merken nichts davon. Niemand muss wie ein Känguru auf und ab hüpfen. Es gibt so viele faszinierende Entwicklungen in diesem Bereich, ich habe selbst an einem Versuch teilgenommen, wo es um die körpereigene Wärme der Menschen ging. Wenn wir die in den Energiebedarf mit einbeziehen, kommt es zu erstaunlichen Ergebnissen. Simpel ausgedrückt: Zu zweit wird einem schneller warm!«
Bei der Floskel sehe ich nur Fred vor mir, in dessen Nähe ich sofort zu glühen beginne wie ein Tausend-Watt-Scheinwerfer. Der Gedanke an ihn beschert mir eine Hitzewallung, die ich mit der Ankündigung überspiele, Moritz nun das Zimmer zu zeigen.
»Hier lang«, weise ich auf die gegenüberliegende Tür und erkläre: »Der Raum ist genauso groß wie die anderen Schlafzimmer und liegt strategisch günstig am Flurende. Sie wären also ziemlich ungestört.« Ich öffne die Tür zu Irmas verwaistem Zimmer. »Bitte schön.«
Moritz hebt die Augenbrauen, stutzt einen Moment, dann entfährt ihm ein erstauntes: »Oh!«
Beim Anblick des Chaos’ und der Plüschenten schäme ich mich in Grund und Boden. Und wenn mir nicht sowieso schon heiß wäre, würde es mich jetzt überkommen. Warum habe ich gutmütiges Schaf mich von Irma überreden lassen, ihren Mist noch länger zu beherbergen?
»O weh«, entfährt es mir. »Das tut mir unendlich leid. Ich dachte, Irma hätte das Zimmer wenigstens aufgeräumt.«
Moritz nimmt es mit Humor. »Cool!«, lacht er. »Entenhausen! Ich habe übrigens auch noch meine gelbe Schwimmente aus Kindertagen.«
Erleichtert lache ich mit und verspreche: »Der Kram fliegt natürlich sofort raus, falls Sie sich für das Zimmer entscheiden.« Erwartungsvoll sehe ich ihn an.
»Ja, es gefällt mir sehr, wie die ganze Wohnung und ihre Bewohner. Und wenn Sie mich als Mieter aufnehmen …«
»Willkommen in unser WG«, unterbreche ich ihn begeistert und strecke ihm die Rechte entgegen. »Abgemacht und Hand drauf!«
Lächelnd schütteln wir uns die Hände.
»Was den
Kram
angeht«, sagt Moritz dann mit Blick auf Irmas antikes Mahagonibett. »Eventuell würde ich das ein oder andere übernehmen. Vorausgesetzt, ich kann es mir leisten. Es ist nämlich so, dass ich ohne eigene Möbel in die Wohnung meiner Freundin gezogen war. Ich selbst besitze im Moment nichts. Abgesehen von den alten Sachen aus meinem Jugendzimmer, die mein sentimentaler Vater nie entsorgt hat und inzwischen für Luis verwendet, der ja häufig zu Besuch ist.«
Seine letzten Worte lassen mich innerlich aufstöhnen. Luis übernachtet also auch bei Fred. Ein weiterer Beweis für eine Beziehung zur Mutter.
»Ob ich Irma einmal anrufen und fragen könnte?«
Moritz’ Frage lenkt mich von meiner Frustbetrachtung ab.
»Das erledige ich gern für Sie. Möglicherweise ist sie froh, einen Abnehmer zu finden. Sie heiratet nämlich einen Mann mit Villa und komplettem Hausstand«, erkläre ich. »Wäre doch schade, wenn die schönen Sachen in irgendeinem Keller verstauben.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Frau Opitz«, meint Moritz.
»Nicht doch«, wehre ich ab und dirigiere meinen neuen Mitbewohner in Richtung Küche, wo ich die freudige Nachricht überbringe.
Amelie ist »über die Maßen erfreut« und würde Moritz am liebsten an ihre Brust drücken. »Junge Leute halten jung. Gustl wird sich bestimmt auch freuen.«
»Wo ist er eigentlich?«, frage ich Amelie.
»Telefoniert mit seiner Tochter«, antwortet sie. »Die arme Dana hat anscheinend große Probleme mit ihrem Freund. Jedenfalls war sie vorhin am Telefon in Tränen …«
In dem Moment betritt Gustl die Küche. Seiner Miene ist anzusehen, dass er sich Sorgen macht.
»Konntest du sie beruhigen?«, fragt Amelie.
Gustl nickt. »Für den Moment schon. Und, wie finden Sie unsere Oldie-WG?«, wendet er sich dann an
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