Liebe auf den letzten Blick
Moritz.
»Einfach klasse.« Moritz schiebt schmunzelnd seinen Hut in den Nacken. »Überhaupt nicht
oldie
.«
»Kurz gesagt«, mische ich mich ein. »Herr Keller wird bei uns einziehen.«
»Hervorragend, dann kriege ich männliche Unterstützung«, sagt Gustl augenzwinkernd und wiederholt die Einladung zum Brunch.
»Danke, sehr gern«, erwidert Moritz.
Amelie klopft neben sich auf die Eckbank. Ich hole noch ein Gedeck aus dem Schrank.
Kaum sitzen wir gemütlich beisammen, schrillt die Türglocke.
»Das ist bestimmt Cengiz, der irgendetwas im Garten erledigen will«, vermute ich und berichte unserem neuen Mieter, dass der Hausmeister auch ohne Anlass gern mal bei uns reinplatzt.
Amelie geht zur Tür und kommt keine Minute später zurück. »Wir haben noch einen Gast.«
Ich blicke von meinem Mohnbrötchen auf, und mein Herz macht einen Freudenhopser.
»Guten Morgen, zusammen.« Fred lächelt in die Runde. »Na, Sohn, wie schaut’s aus?«
»Morgen bist du mich los«, verkündet Moritz.
Fred atmet auf, als wäre er ein großes Problem los. »Die beste Nachricht der Woche.«
Seine Erleichterung macht mich traurig. Er scheint es tatsächlich kaum erwarten zu können, in seiner Wohnung wieder ungestört zu sein. Obwohl ich mich natürlich freue, mit dem sympathischen Moritz mein Mieterproblem gelöst zu haben.
Andererseits! Wenn ich ehrlich zu mir bin, ist es doch ziemlich vermessen, zu glauben, ein jüngerer Mann könne sich ernsthaft für mich interessieren – egal, in wie viele rote Klamotten ich mich hülle.
12
Nachmittags hole ich Irmas Kleiderkartons aus dem Keller, da sie mit Otto auf dem Weg zur Preisverleihung nach London ist. Als ich sie anrief, um ihr von Moritz’ Einzug zu berichten, war sie hocherfreut, einen Teil ihrer Möbel auf diese Weise loszuwerden. Schließlich sieht sie einer Zukunft in einer Villa voll exquisiter Antiquitäten entgegen.
Gustl und Amelie helfen beim Ausräumen des Zimmers. Er macht sich im Blaumann und kurzärmligen Hemd ans Werk, Amelie in zerrissenen Jeans, die extrem knapp sitzen. Ein knallenges Trägertop spannt sich über ihren Busen, und die Füße stecken in Flipflops. Die blonden Locken hat sie nachlässig hochgebunden. Ich bin für die anstrengende, schweißtreibende Beschäftigung in eine bequeme Jogginghose und ein ärmelloses T-Shirt geschlüpft.
»Wo soll das Zeug eigentlich hin?« Gustl hat die erste Kiste bereits gefüllt. »Unser Keller ist doch so voll, da hat nicht mal mehr eine Plastiktüte Platz.«
»Fürs Erste in den Flur. Aber keine Panik«, beruhige ich ihn. »Cengiz hat mir angeboten, die Kartons vorübergehend in seinem Arbeitsraum zu lagern. Ich habe nur leider keinen Schlüssel dazu. Er schaut heute oder morgen vorbei und wollte beim Tragen helfen.«
»Cengiz ist süüüß. Dafür sollten wir ihn zum Essen einladen«, flötet Amelie und dreht die abgenudelte Rolling-Stones-Kassette um, bevor sie sich stöhnend nach ein paar Hausschuhen bückt und sie in den Karton wirft.
»Ist das Höschen zu eng?«, frage ich grinsend.
»Die muss so sitzen!«
Das war ein trotziges Kümmer-dich-um-deine-eigenen-Pfunde, denn ganz offensichtlich hat sie ein paar Kilo zugenommen. Ich verkneife mir jeden Kommentar. Gustl könnte es als Kritik an seiner Küche auffassen.
Seine Nerven liegen im Moment sowieso blank. Gestern Abend hat er wieder lange mit Dana telefoniert, anschließend aber kein Wort über ihre Schwierigkeiten von sich gegeben. Geht mich im Grunde zwar nichts an, aber wir sind doch jetzt eine Familie, und da macht man sich eben Gedanken. Vielleicht ist Dana ja schwanger? Dann wäre mir allerdings schleierhaft, wo das Problem ist, denn Gustl wäre vor Glück aus dem Häuschen.
Er klebt gerade Paketband um einen Karton, als sein Handy klingelt. Umständlich fischt er das Gerät aus der Hosentasche, legt besorgt die Stirn in Falten und verzieht sich nach draußen.
Amelie blickt ihm mitfühlend nach. Dann tänzelt sie im Takt zu »Paint it black« zum Regal an der Wand. Sie greift nach einem Stofftier auf dem oberen Brett, will es über mich hinweg in den Karton werfen – und trifft meinen Kopf. Im Zielen ist sie kein Ass.
»Ups!«
»Was soll das werden?«, pflaume ich sie an.
»Die Entendiät. Ich muss dringend abnehmen.« Sie betrachtet mich eingehend. »Verletzt bist du aber nicht, ich sehe zumindest kein Blut …«
»Wie wär’s, wenn du die Gummibärchen weglässt und auch sonst weniger futterst? FdH!«, schlage ich vor. »Schon
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