Liebe auf den letzten Blick
davon.
Es klingelt an der Tür.
»Bitte, Mathilde«, schnauft Gustl. »Sag dem Taxifahrer, er bekommt auch ein extra großes Trinkgeld.«
Langsam fühle ich mich tatsächlich wie die Hauswartsfrau. Mein Aussehen würde jedenfalls dazu passen.
Als ich den Taxifahrer unten an der Haustür beruhigt habe und zurück in die Wohnung laufe, spüre ich, wie mir der Schweiß den Rücken entlangrinnt. Na super, jetzt fange ich gleich noch an zu müffeln.
Im Hausflur begegnet mir Sophie mit den Kindern. Luis tapst neben ihr die Treppe runter, das Baby liegt in der Trage.
»Matinde«, kräht Luis, als er mich sieht und läuft auf mich zu.
Lachend breite ich meine Arme aus, fange ihn auf und wirble ihn einmal herum. »Hallo Rennfahrer! Wohin so schnell?«
»Ist Fred noch bei euch?«, fragt Sophie, stellt mit einemleisen Stöhnen das Baby ab und streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich hab gehört, dass Moritz heute einzieht.«
Fred hält sie also über alles auf dem Laufenden. Eifersucht schnürt mir die Luft ab, doch es wäre lächerlich, mich wie ein Teenager zu benehmen.
»Ja«, antworte ich knapp und betrachte Sophie so unauffällig wie möglich. Ihr Haar ist mindestens so strähnig wie meins und ebenso eilig zusammengebunden, und am Hals erkenne ich hektische Flecken. Die rosa-weiß-gestreifte Bluse ist zerknittert und die Jeans fleckig. Vielleicht irre ich mich, aber sie wirkt verheult, als habe sie einen heftigen Streit hinter sich und sich nur schnell irgendetwas übergeworfen.
»Ah«, schnauft sie. »Ich muss …« Sie stockt, als suche sie nach einem plausiblen Grund, warum sie ihn sprechen müsse.
»Wollt ihr zum Spielplatz?«, überspiele ich die entstandene Pause. »Das Wetter ist ja wirklich traumhaft. Nicht zu heiß und laut Wetterbericht bleibt es beständig.«
Luis antwortet begeistert: »Jaaa! Spielplatz! Rutsche!«, und läuft einmal rund um meine Beine.
»Später vielleicht«, vertröstet ihn Sophie. »Jetzt besuchen wir Moritz in seinem neuen Zimmer. Wenn wir nicht stören«, wendet sie sich an mich.
»Nein, nein«, versichere ich und schließe die Tür auf.
Luis rennt direkt in die Küche.
»Bleib hier«, ruft Sophie.
»Ist schon in Ordnung«, entgegne ich. »Er kennt sich doch aus, und Amelie ist da. Sie wird ihn im Blick behalten.«
Sophie atmet erleichtert aus. »Gut. Ich lasse Luis nämlich nie allein in der Küche. Es kann so schnell etwas passieren, und Luis ist ein extrem lebhaftes Kind.«
»Und ein süßes Kind«, ergänze ich auf dem Weg durch denFlur und betrachte das Baby, das mich mit großen blauen Augen anschaut. »Wie auch die kleine Nora.«
Das lässt ein Lächeln über Sophies Gesicht huschen. »Ja, sie sind süß, und ich bin auch glücklich, sie zu haben. Aber manchmal ist es einfach nur anstrengend, mit zwei Kleinkindern ganz allein … Ähm, ich hab dir ja schon erzählt, dass Torsten wenig Zeit hat.«
»Du weiß, wenn du einen Babysitter brauchst – jederzeit«, wiederhole ich mein Angebot.
»Danke, Mathilde, das ist wirklich sehr hilfsbereit von dir«, erwidert sie.
Fred hat uns offensichtlich gehört, denn er taucht mit einer Flasche Portwein in der Hand im Türrahmen auf. »Mathilde ist überhaupt die netteste Person, die ich kenne. Hallo Sophie«, sagt er und überreicht mir die Flasche. »Von Moritz. Zum Einstand!«
Als ich auf das Etikett blicke, stehe ich innerlich sofort in Flammen. Es ist dieselbe Sorte, die ich bei unserer ersten Begegnung erstanden habe.
»Vielen Dank … Aber das wäre … ähm … nicht nötig gewesen«, stottere ich verlegen.
»Doch, doch«, entgegnet Fred. »Du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, meinen Sohn bei dir untergebracht zu wissen.«
Ich lächle schief, nach einer lässigen Antwort suchend, aber mir fällt kein lockerer Spruch ein.
»Und wenn er dich zu sehr mit seinem Umweltfimmel nervt, rufst du mich sofort an, ja?«, fährt er fort.
»Umweltfimmel?«, wiederhole ich.
»Sein Energiespar-Feldzug!« Fred schmunzelt, als ginge es um ein lustiges Gesellschaftsspiel. »Wundert mich, dass er dir noch nicht das Ohr abgekaut hat … Er kann nämlich ziemlich penetrant sein. Einiges ist ja durchaus vernünftig. Etwa dasAuto zu verkaufen und stattdessen mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen zu fahren, meinetwegen auch Carsharing zu nutzen. An die etwas eingeschränkte Mobilität habe ich mich inzwischen gewöhnt. In einer Großstadt braucht man wirklich kein eigenes Auto. Nur im Winter kalt duschen
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