Liebe auf den letzten Blick
…«
»Brrr!« Sophie schüttelt sich und stellt die Babytrage ab. »Energiesparen ist schon wichtig, aber das ginge mir entschieden zu weit.«
»Ich hasse kaltes Wasser«, stimme ich Sophie zu und denke insgeheim, dass ich für Fred trotzdem sofort unter die kalte Dusche springen würde.
»Kaltes Wasser ist gesund.« Moritz Stimme ertönt gutgelaunt aus dem Hintergrund.
Plötzlich fängt das Baby an zu weinen, als wolle es mitreden.
Sophie beugt sich zu Nora hinab, spricht beruhigend auf sie ein und schaut dann zu uns auf. »Fred, hast du Zeit, mich zum Arzt zu fahren?«
Fred zuckt zusammen. »Geht es dir nicht gut?«
»Ich bin okay«, antwortet sie. »Aber Nora hatte heute Nacht wieder Fieber, wie schon in den letzten Tagen. Sonst ist die Temperatur am Morgen wieder gesunken, und ich dachte, sie bekommt einfach den nächsten Zahn. Doch heute hat sie über achtunddreißig, und deshalb wollte ich mit ihr zum Kinderarzt.«
»Selbstverständlich fahre ich dich«, versichert Fred und angelt sein Handy aus der Hosentasche. »Ich rufe sofort bei Stattauto an und erkundige mich nach einem Wagen.«
»Danke.« Sie atmet auf.
Fred führt ein kurzes Gespräch. »Ich kann einen Fiat Punto bekommen«, sagt er. »Der steht allerdings am Dom-Pedro-Platz. Ich schwing mich aufs Rad, schnappe mir den Wagenund hole dich hier ab. Oder dauert das zu lange? Dann spendiere ich ein Taxi.«
»Nein, nein«, wehrt Sophie ab. »Noras Fieber ist ja nicht gefährlich hoch. Ich warte hier, bis du kommst. Ist das in Ordnung, Mathilde?«
»Selbstverständlich«, versichere ich und bitte sie in die Küche.
Fred verabschiedet sich und rauscht so eilig davon, als ginge es um Leben und Tod. Für Sophie scheint er keine Mühen und Kosten zu scheuen. Und sein väterliches Benehmen sowie seine Sorge um das Baby lassen in mir einen schrecklichen Verdacht aufkommen: Fred ist Noras Vater, und Sophie hat deshalb Stress mit ihrem Freund! Denn sonst wäre es doch eigentlich Torstens Job, seine Familie zum Arzt zu fahren.
13
Köstlicher Kaffeeduft steigt mir in die Nase. Gleich werde ich die erste Tasse aus der neuen Maschine genießen. Einen Atemzug später wird aus dem belebenden Aroma ein Geruch, der nichts Gutes verheißt. Ist das nagelneue Gerät etwa defekt? Flammen steigen auf, ein Knall, sie explodiert und – ich wache auf.
Ich brauche ein paar Sekunden, um mich zu orientieren und bis mir bewusst wird, dass ich geträumt habe. Verwirrt greife ich nach dem Wecker. Fünf Uhr. Offensichtlich leide ich unter einem Kaffeemaschinen-Trauma.
Fred hat sein Versprechen nämlich nicht gehalten. Natürlich kann es dafür zig Erklärungen geben. Er musste mehr Schulstunden geben und hatte deshalb einfach keine Zeit. Er könnte auch mit hohem Fieber im Bett liegen, einen Kollegen vertreten oder plötzlich verreisen müssen. Letzteres ist wohl eher unwahrscheinlich, mitten im Schuljahr. Wie auch immer. Fred hat den Kaffeeautomaten nicht wie versprochen am Montag vorbeigebracht. Deutlicher lässt sich Desinteresse kaum demonstrieren.
Da ich wirklich alt genug bin, mich wie eine besonnene, klar denkende Frau zu verhalten, entschließe ich mich, Fred nun endgültig aus meinen Träumen zu vertreiben. Erstens existiert unsere »Romanze« sowieso nur in meinem Kopf. Und zweitens sollte ich erwachsen genug sein, um zu begreifen, dass er offensichtlich zu der Sorte Männer gehört, die einfach mit allen Frauen flirten, sozusagen eine männliche Amelie. Bei dieser Assoziation muss ich sofort ans Frühstückendenken. Bis zu Gustls Rückkehr wollte sie nicht nur Susannes Grab pflegen, sondern auch kochen und alle Küchenarbeiten übernehmen. »Du kannst dich auf mich verlassen wie auf gutes Karma, mein Gustilein«, hat sie ihm zum Abschied ins Ohr gesäuselt. Ich habe mich selbst für die restliche Hausarbeit eingeteilt. Moritz ist für das »Männerbad« zuständig und hat versprochen, sich auch sonst vor nichts zu drücken. Einen echten Putzplan wollten wir nach Gustls Rückkehr ausarbeiten.
Es ist zwar noch keine Frühstückszeit, aber ich bin wach und habe Hunger. Wie war das noch gleich? Kochen ist der Sex des Alters! Da ich nicht besonders gut kochen kann, geht es bei mir eben ums Essen. Der Mensch lebt nun mal nicht allein von Luft und Liebe. Erst recht nicht, wenn das Objekt der Begierde die Gefühle nicht erwidert. Aber Altersunterschiede in der Größenordnung wie zwischen Fred und mir sind nun einmal eine monumentale Hürde. Wie schwierig solche
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