Liebe auf den letzten Blick
wird. Er bleibt ein Traummann im wahrsten Sinne des Wortes, nichts weiter als eine romantische Spinnerei einer alten leicht entflammbaren Schachtel. Die Weltfrieden-Statistik bestätigt sich mal wieder. Da erscheint mir eine kleine Retourkutsche ein angemessener Trost, wenn auch einer mit schalem Beigeschmack.
»Falls du eine saubere Tasse suchst«, sage ich zu Amelie, die vergeblich die Schränke absucht, und deute auf die offen stehende Spülmaschine. »Hier.«
Sie taxiert das schmutzige Geschirr. »Die sind aber nicht sauber!«
»Treffer.« Grinsend drücke ich ihr zwei der schmutzigen Tassen in die Hände und verkünde: »Du spülst, und ich geh duschen.«
Hoheitsvoll verlasse ich die verschlafene Amelie und ihre Geschirrbaustelle.
Eine Viertelstunde später sitzen wir bei Instantkaffee am Tisch. Ich frisch geduscht und nach Bodylotion duftend in schwarzen Jeans und weißer Bluse, Amelie unverändert müde im Bademantel-Look.
Angewidert kippt sie zwei Löffel Zucker in die Tasse. »Also ich kriege das Zeug nur mit einer Überdosis Zucker runter«, meckert sie und rührt extra lange um, als könne sie dadurch das Aroma verändern.
»Er schmeckt eben nach ganz normalem Kaffee und nicht nach irgendwelchen Zusatzstoffen«, entgegne ich. »In dieseKaffeepads, die jetzt alle Welt konsumiert, soll Gelatine beigemischt werden, damit die Milch ordentlich schäumt.«
Amelie starrt mich an, als wäre ich übergeschnappt. »Du hast ’ne Meise!«
»Nein, ich habe online recherchiert, als du von so einer Padmaschine gesprochen hast. Normaler Kaffee schäumt nämlich nicht«, erkläre ich. »Wie sollte er auch? Ist ja schließlich kein Badezusatz. Davon abgesehen, würden wir mit Fairtradekaffee die Kleinbauern fördern, helfen, Schulen zu bauen und Kinderarbeit zu unterbinden.«
»Schon gut, schon gut«, stoppt sie mein Plädoyer. »Ich bin ja auch für gerechten Lohn und alles andere. Dafür sind wir schon in den Siebzigern auf die Straße gegangen. Aber bei Kaffeeentzug versagt mein politisches Bewusstsein. Und wie ich vorhin schon sagte, werde ich noch heute losziehen und eine neue Maschine besorgen, die ordentlichen Kaffee macht. Denn dieses Gebräu hier ist echt nur was für Umweltfanatiker.«
Ich will Amelie gerade sagen, dass sie eine Maschine kaufen soll, als ich Schritte höre.
»Bei diesem Thema kann man gar nicht fanatisch genug sein. Morgen Mädels.«
Unser neuer Mitbewohner betritt die Küche mit fröhlichem Gesicht.
Gleich am ersten Abend sind wir zum Du übergegangen. Amelie hat Moritz’ Einzug natürlich genutzt, um die Korken knallen zu lassen. Seitdem sind wir für Moritz die »Mädels«. In Prosecco-Laune habe ich ihm gestanden, dass ich mir immer einen Sohn wie ihn gewünscht habe, und gehofft, dabei etwas über seine Mutter zu erfahren. Doch er meinte nur, ich könne ihn gern als Sohn ausgeben, wann immer ich einen benötige.
»Im Übrigen bin ich jederzeit bereit, über alle ökologischenProbleme zu diskutieren«, bietet er uns an, während er den Wasserkocher füllt. »Das sind für mich hochspannende Themen.«
»Finde ich auch«, stimme ich Moritz zu, um Amelie ein bisschen zu ärgern.
Die rümpft genervt die Nase. »Eine neue Kaffeemaschine ist
nicht
verhandelbar.«
Moritz schaltet den Wasserkocher an und schlägt sich dann mit der flachen Hand auf die Stirn. »Shit! Die versprochene Maschine. Die habe ich ja vollkommen vergessen. Tut mir leid, Mädels.
Ich
sollte sie abholen. Mein Vater hat sich am Montag im Sportunterricht eine Sehne gezerrt und ist im Moment schlecht zu Fuß.«
Amelie stöhnt theatralisch: »Och, der Arme!«
Ich lächle zufrieden. Nicht wegen Freds Verletzung, so weit gehen meine Rachegelüste dann doch nicht. Nein, ich freue mich, dass er mich nicht vergessen hat. Er ist krank! Allerdings hätte er anrufen können. Seine Hände werden ja wohl unverletzt sein. Aber gut, ich lasse gelten, dass er sich bei Moritz und damit indirekt gemeldet hat.
Moritz setzt sich mit einer Tasse frisch aufgegossenem Kaffee zu uns an den Tisch. »Ich verspreche hoch und heilig, das Gerät am Nachmittag abzuholen. Jetzt gehe ich eine Runde joggen, und danach habe ich eine wichtige Vorlesung in Haustechnik.«
»Gibt es auch unwichtige Vorlesungen?«, fragt Amelie.
Irgendwo klingelt ein Telefon, und ich habe Mühe, mich richtig auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Ich beschließe, mich doch mal nach einem Hörgerät zu erkundigen, als Moritz fragt, ob er ans Telefon gehen
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