Liebe auf den letzten Blick
ist exakt für Notfälle wie diesen eingeplant.«
»Vielen Dank, du bist wirklich eine echte Freundin, aber dreitausend würden reichen. Ich verspreche, dass ich mir wieder einen Job suche, und dann bekommst du dein Geld so schnell wie möglich zurück.«
»Mach dir bitte darüber keine Gedanken«, beruhige ich sie und erinnere mich in dem Moment an Amelies Statement. »Es ist nur Geld. Das kommt durch eine andere Tür wieder zu mir zurück.«
20
Wir betreten die Ankunftshalle des Münchner Flughafens, um Irma abzuholen. Amelie hat sich in das schwarze Minerva-Dirndl geworfen und ihr Dekolleté mit Silberketten geschmückt. Gustl trägt ein graues Jackett mit weißem Hemd und Schlips zu Jeans. Und in meinem Schrank finden sich mehr schwarze Klamotten, als ich jemals für dergleichen Anlässe benötigen werde.
Die Maschine aus Nizza landet mit zwanzigminütiger Verspätung. Wir sehen Irma durch die Glastür, zwischen braungebrannten Passagieren am Gepäckrondell auf ihre Koffer warten. Bleich und zerbrechlich sieht sie in dem lässigen schwarzen Hosenanzug aus. Als sie schließlich ihren Gepäckwagen auf uns zuschiebt, wedelt Amelie aufgeregt mit den Händen und ruft ihr »Juhuuu!« entgegen. Auch Gustl und ich winken ihr, und wenige Sekunden später kann ich Irma endlich umarmen.
»Es tut mir so unendlich leid«, flüstere ich ihr ins Ohr.
Irma windet sich aus meiner Umarmung. »Das Leben geht weiter!«, sagt sie mit wackliger Stimme, schluckt heftig und fügt dann hinzu: »Irgendwie.«
»Sehr gesunde Einstellung«, meint Amelie, während sie die unzähligen Gepäckstücke bestaunt. »Du warst wohl shoppen?«
»Zwei Koffer gehören Otto«, erklärt Irma.
Es entsteht eine peinliche Pause, die Gustl mit eifriger Geschäftigkeit überspielt. Er schnappt sich den vollbeladenen Kofferkuli und sagt: »Mir nach. Der Wagen steht in der Tiefgarage.«
Folgsam dackeln wir hinterher. Um kein erneutes Schweigen aufkommen zu lassen, hake ich Irma ganz selbstverständlich unter und mache ihr ein Kompliment. »Tolles Outfit.«
»Danke«, sagt sie und fügt nach einer Pause hinzu. »Das hat Otto gleich am ersten Tag unserer Ankunft in der Hotelboutique für mich erstanden. Als ob er geahnt hat, dass ich in Kürze etwas Schwarzes brauchen würde.«
Mist, voll ins Fettnäpfchen getreten. Ich frage: »Wie war denn der Flug?«
»Sozusagen erstklassig«, antwortet sie. »Ich saß Erster Klasse, weil die Produktion Otto …« Sie stockt, atmet tief ein und kramt in ihrer Handtasche.
Verdammt! Im Moment scheint es kein unverfängliches Thema zu geben.
»Gab es im Flugzeug Champagner?«, will Amelie wissen und lenkt damit das Gespräch in eine wohltuend unverfängliche Richtung.
Unsere wilde Partymaus besitzt doch Einfühlungsvermögen, denke ich gerührt, und würde sie am liebsten küssen.
Irma zieht ein Papiertaschentuch aus ihrer Tasche und putzt sich die Nase, bevor sie antwortet: »Jede Menge, bis zum Abwinken. Dazu kleine Häppchen mit Lachs oder Kaviar.«
»Oh, wie luxuriös«, schwärmt Amelie. »Gustilein, sobald ich wieder flüssig bin, spendiere ich uns auch einen Schampus-Kaviar-Flug.«
»Hmm«, brummelt Gustl und stoppt den Wagen vor dem Lift, der zur Tiefgarage führt.
»Hab schon gehört, dass du unter die Großverdiener gegangen bist«, sagt Irma. »Wie läuft es in der Esoterikbranche?«
»Danke der Nachfrage. Keine Unklarheiten, wie man inHellseherkreisen zu sagen pflegt«, antwortet Amelie. »Wenn es dich interessiert …«
»Gustl«, gehe ich dazwischen, weil ich befürchte, dass Minerva für Irma in die Zukunft blicken möchte. »Passen wir mit dem vielen Gepäck überhaupt ins Auto? Sonst steigen Irma und ich ein Taxi.«
»Wird schon klappen«, entgegnet Gustl und dirigiert Irma auf den Beifahrersitz. Er schafft es tatsächlich, die drei großen Koffer zu verstauen. Die beiden Reisetaschen drückt er Amelie und mir auf den Schoß.
Auf der Autobahn Richtung München beginnt es zu regnen.
»Wie erfrischend«, seufzt Irma und lehnt sich im Sitz zurück. »Heimatregen. An der Côte d’Azur war alles so trocken.«
»Schau mal nach links«, ruft Amelie. »Deine Heimat begrüßt dich auf ganz besondere Weise.«
Irma wendet den Kopf. »Wunderschön«, flüstert sie beim Anblick des prächtigen Regenbogens am Horizont.
»Das ist ein gutes Zeichen«, plaudert Amelie unbekümmert weiter. »Alles wird gut.«
Irma antwortet nicht. Stumm blickt sie in den schillernden Bogen, der sich vor dunklen Wolken
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