Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
seiner Stimme und nickte hastig. Dann wandte sie zerknirscht ein: »Aber wenn meine Stiefmutter uns so sieht …«
»Oha, stimmt«, murmelte Adrian. »Wenn sie uns hier draußen entdeckt, stecken wir in der Klemme.«
Und was jetzt? Würde er sie spontan wieder in den Saal bugsieren und ihr damit das erste kleine Vergnügen seit ihrer letzten Begegnung nehmen?, fuhr es ihr durch den Kopf. Nein, er zog sie entschlossen von den Türen weg.
»Kommen Sie mit. Wir laufen ein Stück in den Park. Da findet sie uns bestimmt nicht. Und wir können ungestört tanzen.«
Adrian zog sie die Terrassenstufen zum Park hinunter, und sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. »Besser nicht, Mylord«, stammelte sie. »Sollte sie mein Verschwinden bemerken, bekomme ich nachher ernsthaft Schwierigkeiten.«
»Ach, Unsinn, erzählen Sie ihr einfach, Sie hätten mal für kleine Mädchen gemusst und den Lokus gesucht«, schlug er vor.
»Mylord!«, japste sie, entsetzt, wie offen er mit derartigen Tabuthemen umging. Es war ungeheuerlich!
»Tschuldigung«, meinte er leichthin. »Sie können sich natürlich auch eine andere Notlüge ausdenken. Verdammt, da kommt jemand.«
Clarissa ging über seinen Etikette-Ausrutscher hinweg und fragte mit angehaltenem Atem: »Können Sie sehen, wer es ist?«
»Nein, keine Ahnung, aber ich höre … Schritte.« Er zog sie weiter, glitt mit ihr ins Gebüsch. Als er stehen blieb, blieb sie ebenfalls stehen und duckte sich hinter einen Ast.
Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment kamen zwei Personen ins Bild, die sich aus unterschiedlichen Richtungen näherten. Leider gingen die beiden nicht weiter, wie Clarissa inständig gehofft hatte, sondern blieben ausgerechnet vor ihnen auf dem Weg stehen und umarmten sich.
»Oh Henry!«, murmelte die Frau.
»Hazel«, ertönte eine wacklige Altherrenstimme, was Clarissa stutzig machte. Holla, das klang verdächtig nach Lord Prudhomme.
»Es ist doch nicht dein Ernst, dass du dieses unsägliche Mädchen heiraten willst?«, sagte die Frau unvermittelt. »Was wird dann aus uns? Aus unserer flammenden Leidenschaft?«
»Ich liebe dich, Hazel«, erklang abermals das wacklige Altherrenvibrato. »Und ich werde dich bis an mein Lebensende lieben, aber ich brauche einen Erben. In diesem Punkt versteht Mutter keinen Spaß.«
Clarissa verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Es war Prudhomme – da war sie sich ganz sicher, zumal sie seine gruselige Mutter kennengelernt hatte. Lady Prudhomme war mindestens hundert Jahre alt. Und eine Schreckschraube allererster Güte. Sie konnte es Prudhomme nicht verdenken, dass er Angst vor ihr hatte.
»Ja, aber …«
»Ssscht, mein Liebchen«, säuselte Prudhomme. »Lass mich dich in meinen Armen wiegen und so tun, als würden alle unsere Träume wahr. Dass du die meine bist und dass diese Heimlichtuerei ein Ende hat.«
Das Rascheln von Seide und eine kurze Gesprächspause vermittelten Clarissa, dass sich das Paar umarmte; dann vernahm sie merkwürdige Schmatz- und Sauggeräusche. Sie blinzelte durch die Äste, konnte aber lediglich zwei verwaschene Konturen erkennen: Der üppige, bunt geblümte Farbklecks war sicher eine Frau und Prudhomme der kleine dunkle Schatten. Die beiden standen eng umschlungen. Ihre Gesichter verschmolzen zu einem diffusen Gebilde, gekrönt von zwei wolkig weißen Perücken.
Die beiden küssten sich!, stellte Clarissa entrüstet fest. Was würde Lord Achard wohl dazu sagen? Als sie den Namen Hazel gehört hatte, hatte sie spontan gewusst, um wen es sich bei der Frau handelte. Lady Hazel Achard gehörte dem gleichen Damenkränzchen an wie ihre Stiefmutter, und sie verhielt sich Clarissa gegenüber auffallend kalt und unnahbar. Jetzt verstand das junge Mädchen auch, warum. Hazel war eifersüchtig, weil Prudhomme ihr den Hof machte.
»Oh Henry, nimm mich«, seufzte Lady Achard hingebungsvoll.
»Aber wir haben uns doch gerade erst geliebt, Schätzchen«, protestierte Prudhomme. »Ich bin auch nur ein Mann. Ich kann nicht schon wieder. Ich muss mich erst von dem Feuer der Leidenschaft erholen, das du in mir entfachst.«
»Oh«, seufzte sie enttäuscht. Und dann: »Wären wir verheiratet …«
»Mhmm, wenn wir verheiratet wären, könnte ich dich jede Nacht in meinen Armen halten, genau wie jetzt«, meinte Prudhomme weich. Dann setzte er fluchend nach: »Was muss dein verdammter Mann auch so kerngesund sein!«
Lady Achard nickte bekräftigend. »Ich wünschte, der verdammte Mistkerl wäre
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