Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Glückseligkeit katapultierte, wo sie im siebten Himmel schwebten.
***
»Hier bist du!«
Clarissa riss sich hastig die Brille von der Nase und versteckte sie in dem Beutelchen unter ihrem Rock, ehe sie zu ihrem Mann herumschwenkte, der mit langen Schritten die Bibliothek durchquerte.
»Ich bin aufgewacht und du warst weg«, grummelte er, bevor er ihr einen schnellen Kuss auf den Mund hauchte.
Clarissa seufzte erschauernd in seinen Mund. Sie schlang spontan die Arme um seinen Nacken und kuschelte sich an ihn. Sie war bei Sonnenaufgang wach geworden und leise in ihr Zimmer zurückgetappt, weil sie sich etwas anziehen wollte. Joan war noch nicht auf gewesen, also hatte sie sich selbst angekleidet, denn sie hatte keine Lust, zu warten. Clarissa hatte sich etwas vorgenommen und wollte das erledigt wissen, bevor der gesamte Haushalt auf den Beinen war.
Sie plante nämlich, die Bibliothek einmal näher in Augenschein zu nehmen. Vielleicht stand dort ja ein Buch, irgendein Ratgeber, wie eine Frau ihren Ehemann beglücken konnte. Sie zog sich hastig an, schnappte sich ihre Brille und schaffte es, unbemerkt in der Bibliothek zu verschwinden. Eine geschlagene Stunde lang hatte sie gesucht.
Leider fand sie nicht ein einziges Buch zu dem fraglichen Thema. Etliche Ratgeber vertraten die These, eine Frau könnte ihren Mann mit geschickter und sparsamer Haushaltsführung am glücklichsten machen. Solche Ratschläge entsprachen überhaupt nicht Clarissas Vorstellungen.
Ihre Erwägungen waren spontan ausgeblendet, als Adrian sie in seine Arme riss und stürmisch küsste. Clarissa japste in seinen Mund.
»Mein Gemahl, du bist noch nicht angezogen«, schimpfte sie, als er sich von ihren Lippen löste, verblüfft, dass sie unter der weichen Seide seines Morgenmantels nackte Haut fühlte.
»Das wärst du besser auch nicht«, konterte er. Er trug sie zur Tür und setzte hinzu: »Wir sind frisch verheiratet. Da dürfen wir das Schlafzimmer mindestens eine Woche lang nicht verlassen.«
»Dürfen wir das wirklich nicht?«, meinte sie verwundert.
»Nein. Es ist ein Gesetz – oder sollte eins sein«, schob er grinsend nach. Er trug sie durch das Foyer zur Treppe.
»So ein Unsinn! Dann könnten wir das glückliche Paar ja gar nicht besuchen!«, rief eine Stimme.
Adrian blieb abrupt stehen, und beider Blicke schwirrten zu dem Besucher. Reginald Greville stand mit Jessop, dem Butler, am Hauptportal. Die beiden grinsten und Clarissa war heilfroh, dass sie sich etwas übergezogen hatte.
Sie strampelte hektisch mit den Füßen, und Adrian, der ihre stumme Botschaft verstand, setzte sie stirnrunzelnd ab. Nach einem gehauchten Kuss auf seine Wange drehte sie sich geschmeidig zu Adrians Cousin.
»Reg, du bist der erste Gast in meinem neuen Zuhause«, verkündete sie, während sie ihm lächelnd entgegenlief.
»Der erste von sehr vielen, da bin ich mir ganz sicher«, sagte Reginald leichthin. »Ich weiß beispielsweise, dass Tante Isabel und Mary nachher vorbeikommen wollen. Und ganz ohne Zweifel dein Vater, der bestimmt wissen will, wie es dir hier so geht. Ehrlich gesagt, ich rechne damit, dass die halbe Londoner Schickeria hier auftauchen wird, weil diese arrogante Mischpoke brennend daran interessiert ist, was in eurer Hochzeitsnacht abgegangen ist.«
Clarissa spähte über ihre Schulter zu Adrian, der missmutig schnaubte. Sie konnte seine Reaktion nachvollziehen. Sie hatte genauso wenig Lust auf Besuch wie er, denn diese Leute würden ihnen bloß auf die Nerven gehen mit ihrer blöden Fragerei. Na, meine Lieben, wie geht’s denn so? Was haben Sie denn die ganze Nacht gemacht, hm? Na, wurde die Hochzeitsnacht denn auch vollzogen? So oder so ähnlich würde es ablaufen. Gruselig, dass fremde Menschen derart persönliche Dinge wissen wollten!
»Jessop!«, schnappte Adrian.
»Ja Mylord?« Der Butler schlug die Hacken zusammen, als hätte er eine verbale Ohrfeige bekommen.
»Lassen Sie beide Kutschen anspannen. Dann schicken Sie Joan und Keighley, meinen persönlichen Diener, zu uns hoch. Wir fahren in einer Stunde nach Mowbray.«
Clarissa bekam Augen groß wie Untertassen, als ihr Mann ihre Hand fasste und sie energisch die Stufen hochzog.
»Und was ist mit Lord Greville?«, stammelte sie verwirrt. »Er will uns besuchen. Wir können ihn doch nicht vor die Tür setzen und …«
»Nein, der will uns nicht besuchen«, versicherte Adrian mit Bestimmtheit.
»Nein?« Sie blinzelte unschlüssig zur Haustür und zu der verschwommenen
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