Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Herrschaften zu empfangen.
Zum Glück hatte Kibble trotz seines fortgeschrittenen Alters gute Reflexe. Er duckte sich blitzschnell, um nicht rigoros über den Haufen gefegt zu werden. Genauso schnell schoss er wieder hoch und fing die frisch gebackene Lady Mowbray auf, die ungeschickterweise auf den Saum ihres Kleides trat und ziemlich unladylike aus der Kutsche stolperte.
Sie landete kreischend an Kibbles knochiger Brust, strampelte erschrocken, bis er sie zu Boden gleiten ließ, und blinzelte forschend in das Bulldoggengesicht des Butlers. Kibble bestaunte Clarissa mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verwunderung. Seine Augen wanderten über ihre vom vielen Küssen verdächtig geröteten Lippen, die zerwühlte Frisur und das zerdrückte Kleid.
Adrian hätte sich treten mögen, weil er nicht schneller reagiert und ihr aus der Kutsche geholfen hatte, wie es sich für einen Gentleman gehörte. Leise fluchend sprang er zu Boden. Er fasste sie bei den Oberarmen und lotste sie behutsam von Kibble weg. Er zog sie mit dem Rücken an seine Brust, legte seine Hände besitzergreifend auf ihre Schultern und fixierte mit stolzer Miene seine Untergebenen.
»Clarissa, das ist meine Dienerschaft. Der freundliche Gentleman, der gerade deinen Sturz vereitelt hat, ist mein Butler Kibble. Früher war er mein Hauslehrer, dann stieg er auf Butler um, als Fitzwilliam, der Butler meiner Eltern starb.«
»Hallo Kibble. Danke, dass Sie so beherzt eingegriffen haben. Sonst wäre ich mal wieder voll auf die Nase gefallen«, sagte Clarissa entwaffnend ehrlich. Sie schenkte dem alten Griesgram ein bezauberndes Lächeln.
»Aber nicht doch, keine Ursache, Mylady«, versicherte Kibble selten charmant und würdevoll.
»Und das ist meine – unsere – Haushälterin Mrs. Longbottom«, fuhr Adrian fort. Er drehte Clarissa so, dass sie die Frau genau vor sich hatte. Als Kind hatte er ihr den Spitznamen Mrs. Longface verpasst. Der Name passte auch viel besser denn sie war klein und rund, hatte aber ein langes, schmales Gesicht.
»Mrs. Longbottom.« Clarissa nickte der Frau lächelnd zu, bevor Adrian sie noch ein Stückchen herumschwenkte und die Namen der jeweiligen Angestellten herunterratterte.
»Das sind Marie, Bessie, Antoinette, Lucy, Jean, Jamie, Frederick, Jack und Robert«, zählte er auf.
»Hallo«, sagte Clarissa matt, worauf Adrian aufmunternd ihre Schultern drückte. Und dabei ihren Duft einatmete. Verdammt, sie roch immer so sündhaft gut …
Er fasste sich schnell wieder und fuhr fort: »Keine Sorge, das sind zwar eine Menge Namen, aber mit der Zeit kannst du dir die bestimmt spielend merken.«
»Ganz bestimmt.« Clarissa straffte entschlossen ihre schmalen Schultern.
Adrian drückte sie abermals zärtlich und setzte hinzu: »Ein paar Diener, die gerade nicht hier sind, lernst du später noch kennen. In der Zwischenzeit …« Sein Blick schweifte über die kleine Gruppe. »Leute, das ist meine Frau, Lady Clarissa Montfort, die neue Gräfin von Mowbray.«
»Ich bin eine Gräfin?« Clarissa schoss ihm über die Schulter einen scharfen Blick zu.
»Die Ehefrau eines Grafen ist nun mal eine Gräfin«, meinte er sanft und grinste belustigt, als sie große Augen machte. Offenbar hatte seine junge Frau sich keine Gedanken über ihren gesellschaftlichen Aufstieg gemacht, als sie den Earl of Mowbray heiratete.
»Ja, aber … Oh, ich hab’s kapiert«, sagte sie, sobald ihr diese Tatsache einleuchtete. Sein Grinsen wurde breiter.
Nein, sie hatte sich deswegen tatsächlich keine Gedanken gemacht, stellte er erfreut fest. Sie hatte ihn um seiner selbst willen geheiratet. Mit Clarissa hatte er das ganz große Los gezogen, er war wirklich ein Glückspilz.
Die Dienerschaft schien über seinen unverstellten Enthusiasmus verblüfft.
»Ich glaub, ich spinne. Mylord ist doch sonst nicht so gut gelaunt«, grummelte Kibble, auf seinem mürrischen Bulldoggengesicht malte sich Verwunderung. Er neigte sich zu der Haushälterin und raunte ihr zu: »Seine Lordschaft grinst doch nicht etwa, oder?«
»Doch, ich glaube schon«, erwiderte Mrs. Longbottom lächelnd.
»Donnerwetter, was ist denn mit dem passiert?«, fragte der Butler.
»Ich denke, es liegt an der Kleinen, die er in London geheiratet hat. Sie hat dafür gesorgt, dass er wie ausgewechselt ist, Kibble.«
»Nee, wirklich? Dieses kleine Ding da? Hat unserem Lord Miesepeter Dampf gemacht?«, orakelte der Butler. »Kaum zu glauben.«
»Ich hätte auch gute Laune, wenn sie meine
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