Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
hakte Adrian nach. Er lief zu ihrer Tür und drückte die Klinke hinunter. Das klappte zwar, aber die Tür ließ sich nur ein kleines Stück nach innen bewegen.
»Ja Mylord. Ich bewache die Tür, seit Mylady ihr Zimmer betreten hat. Seitdem ist niemand hineingegangen oder herausgekommen.« Frederick trat zu ihm, als er merkte, dass Adrian mit der Tür kämpfte. »Haben Sie ein Problem, Sir?«
»Die Tür ist wohl mit irgendwas zugestellt«, knurrte Adrian und warf sich gegen das Holz. »Clarissa? Wenn du da drin bist, dann sag doch was!«
Beide Männer warteten schweigend; dann wirbelte Adrian ungeduldig herum und stürmte in sein eigenes Schlafzimmer zurück. Er war sich sicher, dass die Verbindungstür ein Stück nachgegeben hatte – jedenfalls mehr als die Tür zum Flur. Er probierte es abermals, stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür und ächzte vor Anstrengung. Die Tür ging ein Stückchen weiter auf.
»Es ist niemand hineingegangen, Mylord«, versicherte Frederick, er klang mit einem Mal besorgt. »Wirklich, ich hab die Tür nicht eine Sekunde lang aus den Augen gelassen.«
Adrian blieb ihm eine Erwiderung schuldig. Seine ganze Konzentration galt der Tür, die sich nur langsam und kraftaufwendig ein kleines Stück weiter aufdrücken ließ. Das Ächzen von Holz auf Parkett bewies ihm, dass er es mit einem schweren Möbelstück zu tun hatte. Dummerweise lag auf dem Parkettboden ein Teppich, das erschwerte die ganze Geschichte erheblich. Sonst hätte er das Möbel relativ problemlos beiseiteschieben können. Das war jedoch nicht möglich.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Mylord?«, erkundigte sich Frederick zunehmend aufgeregt. »Wie wäre es, wenn wir beide mit unserem ganzen Gewicht gegen …«
Nach einem Blick auf den jungen besorgt dreinblickenden Diener – Frederick war noch ein halbes Kind, höchstens sechzehn und ein Strich in der Landschaft – nickte Adrian zustimmend. »Bring deine Schulter an die Tür und wirf dich mit Wucht dagegen, sobald ich das Kommando gebe.«
Frederick trat zu ihm, presste seine Schulter an das Holz, dann warfen sich die beiden auf Adrians Kommando mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Dieses Mal gab die Tür ein paar Zentimeter mehr nach und Adrian konnte in den Raum sehen. Clarissa lag auf dem Bett und schien zu schlafen, ihr Gesicht wirkte extrem blass.
»Noch einmal«, keuchte Adrian, und wieder warfen sie sich mit vereinten Kräften gegen das Holz. Dieses Mal gaben die Tür und der schwere, sperrige Gegenstand – Adrian sah, dass es die Frisierkommode war – so weit nach, dass er gerade hindurchschlüpfen konnte.
Frederick verfolgte besorgt, wie seine Lordschaft sich durch den Spalt zwängte. Beide atmeten erleichtert auf, als er es schaffte.
»Mylady fehlt doch nichts, oder?«, fragte Frederick und machte Anstalten, Adrian zu folgen, als der zum Bett stürmte.
»Clarissa?« Adrian umschloss mit einer Hand sanft Clarissas Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Seine Frau war nicht bloß blass, sie war weiß wie eine Wand und reagierte nicht auf ihn. Sein Herz setzte einen Schlag lang aus.
»Mylady fehlt doch nichts, oder?«, wiederholte Frederick, als er an das Bett trat.
»Hol Hilfe«, bellte Adrian, während er mit zitternden Fingern über Clarissas Gesicht strich.
»Ja, Mylord.« Frederick setzte eilig zu der Verbindungstür, doch Adrian pfiff ihn zurück.
»Schieb den Stuhl unter der Klinke weg und lauf durch den Flur«, wies er den jungen Mann an, als er sah, was den anderen Eingang blockierte. Er tastete mit Blicken suchend den Raum ab, aber alles schien in bester Ordnung. Und es war niemand sonst im Zimmer.
Frederick ließ die Tür offen stehen, als er hinausrannte. Und Adrian hörte, wie er auf dem Weg durch den Flur laut um Hilfe rief. In der Hoffnung, dass bald welche käme, kümmerte Adrian sich erneut um Clarissa.
Sie sah so klein und zerbrechlich aus, wie sie da lag. Er hob sie hoch und bettete sie an seine Brust, unfähig, weiter in ihr maskenhaft starres Gesicht zu blicken. Sie schien kaum zu atmen, und er hatte maßlose Angst, dass sie ihm wegsterben könnte. Die Vorstellung war ihm unerträglich. Clarissa gehörte zu ihm, und er durfte sie nicht verlieren. Sie war ihm wichtig. Sie war sein Ein und Alles.
Gütiger Gott, er liebte sie tatsächlich – so sehr, dass er lieber selbst gestorben wäre, als ohne sie weiterleben zu müssen.
»Bleib bei mir, Clarissa«, murmelte er und rieb dabei hilflos ihren Rücken.
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