Liebe auf den zweiten Klick
verlieben ⦠war er dabei, sich zu verlieben? Oder war ihm einfach nur langweilig?
Wenn seine Schicht zu Ende war, ging er manchmal, so einmal oder zweimal die Woche, in die Redaktion und an Beths Schreibtisch vorbei, nur um das Durcheinander von Kaffeebechern und Notizblöcken zu betrachten und einen Beweis dafür zu haben, dass es sie wirklich gab. Gegen ein Uhr morgens waren die Redakteure meistens schon gegangen, und der Raum wurde nur noch von den StraÃenlaternen erleuchtet. Wenn sich bei ihm auf dem Weg in die Redaktion das schlechte Gewissen meldete, dann redete er sich ein, dass er ja nichts Falsches tat. Solange er nicht versuchte, Beth selbst zu sehen. Er erklärte sich selbst, dass es ja im Prinzip so war, als würde er für ein Mädchen in einer Seifenoper schwärmen. Einer Radio-Soap. Nichts, worauf man stolz sein konnte, aber harmlos. Etwas, womit die Zeit nachts schneller verging.
In manchen Nächten, so wie heute, erlaubte er es sich, einen Moment an ihrem Tisch stehen zu bleiben.
Ein Kaffeebecher. Eine angebrochene Toblerone. Ein Häufchen Büroklammern. Und etwas Neues, ein Flyer für ein Konzert klebte an ihrem Bildschirm. Er war knallrosa mit einem Comic-Gitarristen â Sacajawea im Ranch Bowl, Samstagabend. Diesen Samstagabend.
Hm.
Justin hatte Lust auf ein Konzert. Justin war eigentlich immer für alles zu haben. Er bot an, Lincoln abzuholen, aber Lincoln schlug vor, sie sollten sich direkt in der Kneipe treffen.
»Alter, versteh schon, du bist ein rastloser Typ. Ich werde dich nicht aufhalten.«
Sie trafen sich im Ranch Bowl eine halbe Stunde, bevor Sacajawea die Bühne betrat. Justin war ganz offensichtlich enttäuscht. Der Laden war schmutzig und überfüllt, es gab keine Tische oder Schnaps-Specials, und man musste sich hinter die Bühne drängen, um zur Theke zu gelangen. Das Publikum bestand überwiegend aus Männern, und die Band, die gerade spielte â Razorwine, der Aufschrift auf dem Schlagzeug zufolge â, hörte sich an, als würde sie ein Beastie-Boys-Album auf der Kreissäge interpretieren. Die beiden fanden ein Plätzchen an der Wand, wo sie sich anlehnen konnten, aber Justin wollte eigentlich sofort wieder gehen. Das Ganze war ihm so zuwider, dass er nicht einmal Lust hatte, sich was zu trinken zu holen.
»Lincoln, komm schon, das ist hier doch total deprimierend. Der reinste Friedhof. Ach was, noch übler, der Friedhof der Kuscheltiere. Lincoln. Alter. Lass uns abhauen. Komm schon. Dann gehen die Drinks für den Rest des Abends auch auf mich.«
Ein Typ neben ihnen, ein bulliger Kerl im Flanellhemd, fuhr Justin schlieÃlich an, er solle doch endlich den Mund halten. »Ein paar von uns sind hier, um die Musik zu hören!«
»ScheiÃe, Mann, das ist ja wohl dein Problem«, knurrte Justin zwischen zusammengebissenen Zähnen durch eine Wolke Camel-Rauch. Lincoln packte seinen Freund am Ãrmel und zog ihn zurück.
»Wovor hast du denn Schiss?«, fragte Justin. »Du bist doch der reinste Schrank. Den legst du doch locker aufs Kreuz.«
»Ich will ihn aber nicht aufs Kreuz legen. Ich will nur die Band hören, die nächste Band. Ich dachte, du magst Metal.«
»Das ist kein Metal«, grunzte Justin, »das ist PferdescheiÃe.«
»Nur eine halbe Stunde«, bat Lincoln, »und dann gehen wir, wohin auch immer du willst.«
Die Kreissägen-Band beendete ihr Set, und Sacajawea fingen an, ihre Instrumente aufzubauen. Es war nicht schwierig, ihn auszumachen, Beths Freund. In natura sah er genauso gut aus wie auf den Fotos. Sehnig und zerzaust. Alle Bandmitglieder hatten langes, feminines Haar. Sie trugen enge Hosen und offene, wallende Hemden.
»Was, zum Teufel, ist das denn?«, meinte Justin.
Um sie herum gingen im Publikum Veränderungen vor sich. Die kräftigen Kerle verschwanden in Richtung Bar, während aus den Schatten plötzlich Gruppen von Frauen auftauchten. Mädchen mit tiefsitzenden Jeans. Mädchen mit gepiercten Zungen und Schmetterlingstattoos. »Wo kommen denn auf einmal die ganzen Nabelpiercings her?«, wollte Justin wissen. Das Licht ging aus, und Sacajaweas Set begann mit einem elektrisierenden Gitarrensolo.
Die Frauen drängten nach vorn, Richtung Bühne. Genau wie Lincoln hatten die meisten Mädchen nur Augen für den Gitarristen. Und der Sänger â Stef, vermutete Lincoln â
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