Liebe auf den zweiten Kuss
sicherer aufgehoben«, widersprach Gabe. »Falls etwas passiert, könnten wir innerhalb von einer Minute bei Ihnen sein.«
Das klang zwar verlockend, doch wäre sie nicht in ihrer eigenen Wohnung. »Nein«, sagte sie. »Vielen Dank, aber nein danke. Wir wissen doch noch nicht einmal, ob der Einbrecher überhaupt wusste, dass ich in der Wohnung war.«
»Mir wäre trotzdem wohler, wenn Sie gleich nebenan wären«, beharrte Gabe, doch Nell ließ sich nicht erweichen. Später, nachdem Budge eine unwillige Margie abgeholt hatte und Suze erst Riley und dann Nell einen merkwürdigen Blick zugeworfen hatte und in ihrem gelben Käfer verschwunden war, und nachdem Gabe sie vergeblich noch einmal zu einer Nacht bei Chloe hatte überreden wollen, streichelte Nell Marlene und sagte: »Hör zu, mein Püppchen. Wer auch immer durch diese Tür kommt, dem gehst du an die Gurgel.«
Marlene vergrub ihren Hintern energisch in der Chenilledecke.
»Außer es ist Gabe«, korrigierte sich Nell. »Der ist auf unserer Seite.«
10
Das Porzellan war ausgepackt, die Wohnung bezogen und der mitternächtliche Einbrecher vertrieben, Nell konnte ihre Aufmerksamkeit also voll und ganz dem Büro zuwenden. Gabe hatte sich dankbar gezeigt, als sie ihm Margies Fotoalbum gebracht hatte, denn es enthielt mehrere gute Fotos von Helena und ihren Diamanten – Ohrringe, Kette, Armband, Brosche und Ringe. Und noch dankbarer, als sie damit begonnen hatte, im Kühlraum die Akten zu sortieren. Leider reichte seine Dankbarkeit nicht so weit, ihr freie Verfügungsgewalt über das Büro zu geben. Also nahm sie die Dinge selbst in die Hand und strich die Badezimmerwände in einem hellen Taubenblau mit einem goldenen Abschlussstreifen kurz vor der Decke. »Sehr schick«, war Gabes einziger Kommentar. Also hatte sie ihr Werk fortgesetzt und ihn eines Nachmittags damit überrascht, dass sie auf der Leiter stand und Suze darunter und sie beide die Wände der Rezeption in einem weichen Gold strichen. Sie war auf alles gefasst gewesen, doch er sagte lediglich: »Wenn Sie von der Leiter fallen, ist das Ihre Angelegenheit«, und ging in sein Zimmer.
»Besonders gesprächig ist er nicht gerade, nicht wahr?«, meinte Suze, worauf Nell erwiderte: »Er ist deprimiert wegen eines Falls, der nicht sonderlich gut läuft.« Sie tat ihr Bestes, um ihn aufzuheitern. Sie kümmerte sich um den reibungslosen Ablauf im Büro, sah zu, dass seine Kaffeetasse immer gut gefüllt war, spielte Dean Martin und Frank Sinatra im Vorzimmer und mopste nachmittags für ihn Mandelkekse von Margie. Er jedoch schien all dies nicht zu bemerken. Im Gegenteil, er ignorierte sie gänzlich, wenn sie etwas erledigte, worum er sie gebeten hatte, aber wenn sie irgendetwas änderte, ohne es vorher mit ihm abgesprochen zu haben, brüllte er sie an. »Ich könnte nackt auf seinem Schreibtisch tanzen«, bemerkte sie Suze gegenüber an Halloween, »und er würde lediglich sagen: ›Verdammt, Nell, Sie stehen auf den Berichten‹. Nicht, dass ich nackt für ihn tanzen wollte. Das war nur im übertriebenen Sinne gemeint.«
»Versuch es doch mal«, schlug Suze vor, während sie Marlenes Kürbiskostüm zuknöpfte, die sie mit einem düsteren Blick bedachte. »Schau mal, sieht sie nicht süß aus?«
Marlene stierte sie an wie ein verrückt gewordener orangefarbener Marshmallow.
»So sieht mich Gabe auch immer an, wenn ich irgendetwas verschönere«, meinte Nell.
Doch kleine Dinge ließ er ihr durchgehen, und das Büro sah bereits um einiges besser aus. Den einzig wirklichen Widerstand hatte ihr bisher Riley geliefert, als sie den hässlichen Vogel vom Aktenschrank in den Keller verbannen wollte. »Das hier«, erklärte Riley, nachdem er ihn wieder nach oben geholt hatte, »ist der Malteserfalke, und er bleibt.«
»Oh, bitte«, hatte sie gebettelt, doch alles, was Gabe geantwortet hatte, als sie damit zu ihm kam, war: »Lassen Sie die Finger von dem Vogel, Eleanor.« Danach hatte sie kapituliert, und nun brütete dieses Ungetüm wieder über ihr oben auf dem Aktenschrank.
Die übrige Arbeit der Detektive, die vornehmlich aus Hintergrundrecherchen und Routineaufträgen bei Scheidungsfällen bestand, verlief reibungslos und wurde sowohl von Gabe als auch Riley so effizient erledigt, dass sie sogar Aufträge ablehnen mussten, weil sie nicht noch mehr arbeiten konnten. Sogar der Lockvogeleinsatz mit Suze war erfolgreich, obwohl Riley sie nach dem ersten Abend dazu zwang, Kostüme zu tragen. »Es ist einfach nicht
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