Liebe auf eigene Gefahr Roman
Jerry’s-Schürze flennen« nicht auftaucht. Wie großartig, dass es hier von Leuten wimmelt, die absolut nichts von besagtem Flennen wissen. Wie wohltuend, dass überall, wo ich hingehe, egal, zu welcher Tageszeit, mindestens ein nach Gesundheit und Klarheit strebender Jogger an mir vorbeirennt, unbeirrt und nach vorne blickend. Am liebsten würde ich auf den Uni-Sweatshirts und den Postkarten auftauchen, mir die Notizbücher mit Aufklebern vollkleben, so sehr L-I-E-B-E ich es hier!
Nachdem ich mir die Sonnenbrille aufgesetzt habe, hüpfe
ich die Backsteintreppe hinunter, um mich dem Strom in J.Crew gekleideter Studenten anzuschließen. Schaue mir den umwerfenden Typen mit dem Fußball an. Und den umwerfenden Typen, der bei den anderen umwerfenden Typen steht. Lächle den umwerfenden Typen an, der an mir vorbeigeht. Und irgendwo in diesem endlosen dunkelblau-orangefarbenen Meer aus Möglichkeiten wartet der Flip-Flop tragende Jay auf mich. Den ich finden werde, um mich in ihn zu verlieben, und wenn ich vorher mit jedem anderen umwerfenden Typen hier ausgehen muss.
»Ich hasse sie!«, erklärt meine Zimmernachbarin Beth und dreht sich zu mir um, die Augen vor Überraschung über die eigene Bosheit geweitet. Zentimeter für Zentimeter schieben wir uns in der jämmerlich verkaterten Sonntagmorgen-Schlange der O’Hill-Cafeteria voran.
»Wen?«, frage ich und schaue mich nach dem Feind um.
»Sie«, formt Beth mit den Lippen und ruckt mit dem Kopf in Richtung der Blondine im Patagonia-Outdoor-Outfit vor uns in der Schlange.
»Warum?«
»Ich weiß es nicht«, flüstert sie beunruhigt, die Verwirrung steht ihr ins Gesicht geschrieben. »Ich bin ihr noch nie begegnet. Aber ihr Parfum, ihre Stimme … Am liebsten würde ich ihr das Tablett über den Kopf ziehen.« Ihre zierlichen Hände umklammern das pfirsichfarbene Plastik.
An Beth vorbei blicke ich auf ihre ahnungslose Peinigerin, die sich kichernd mit ihren Freundinnen durch die matschigen Kartoffelpuffer arbeitet und nichts von dem potenziellen vorzeitigen Ende weiß, das ihr von der unausgeschlafenen, dehydrierten, ein Meter zweiundfünfzig kleinen rothaarigen Studienanfängerin hinter ihr droht.
»Wann hast du die Pille abgesetzt?«, frage ich sie und greife nach einer Handvoll dampfendem, nassem Besteck.
»Äh … vor ungefähr drei Wochen, gleich nachdem ich mit Mike Schluss gemacht habe. Warum?«
»PMS«, diagnostiziere ich. »Prämenstruelles Syndrom. Der natürliche Rausch.«
»Echt?« Beth ist entsetzt.
»Willkommen zurück!« Ich schlage klirrend meine Gabel gegen ihre.
»Ich dachte, es liegt vielleicht am Regen.« Sie schüttelt den Kopf, schnappt sich eine schlaffe Waffel und beißt hinein. »Oder dass jemand, der genauso nach Calyx stank, sich in meinen prägenden Jahren an mir vergangen hat und ich es verdrängt habe.«
»Der Regen ist jedenfalls keine Hilfe«, seufze ich und blicke durch die beschlagenen Fenster. Ein ekelhafter Typ in schlammbespritzten Jogginghosen geht vorbei. Ein noch ekelhafterer Typ trinkt Milch auf ex mit seinen ekelhaften Freunden und spuckt sich damit voll, während sie ihr ekelhaftes Lachen ausstoßen. Dann läuft der ekelhafteste Typ von allen vorbei und begrüßt rülpsend die ganze Schlange. Alles in allem ein Meer aus käsigem, fettigem, blutunterlaufenem, nach Bier stinkendem Ekel.
Sechs Monate an der UVA und kein Jay. Keine umwerfenden Typen. Als hätte die Kälte ihr Umwerfendsein eingefroren, und jetzt wäre es abgebröckelt, um ihr aufgedunsenes inneres Ich zu entblößen.
»Verdammt, ich hasse Charlottesville, Virginia.«
»Wo?!« Beths Augen leuchten auf.
»Was?«
»Ach so«, sinkt sie wieder in sich zusammen. »Ich dachte, das hättest du auf einem T-Shirt gesehen.«
Ich halte einen Becher unter die Kaffeemaschine und sehe zu, wie die seifige Brühe ansteigt. Nur für einen Moment gebe ich mich dem eingebildeten Gefühl von Jakes Flanellhemd hin, das über mein Schlüsselbein streift.
»Irgendwie hatte ich es mir anders vorgestellt«, sagt Beth über den Plastikbecher mit Bier hinweg, der fast so groß ist wie ihr Gesicht.
»Hast du etwa echtes Glas erwartet?«, frage ich und sehe zu, wie Laura mit ein paar Mädels aus der Phi-Mu-Studentinnenverbindung plaudert und zum ersten Mal, seit sie an diesem Nachmittag aus dem Bus gestiegen ist, das Gesicht zu einem wirklich entspannten Lächeln verzieht.
»Als deine Freundin uns beschrieben hat, wie lustig es werden würde, habe ich in meiner
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