Liebe auf eigene Gefahr Roman
um, und vor meinem inneren Auge füllt sich der Saal mit perlenbesetztem Satin und geliehenen
Smokings, ekstatischen Pärchen, Junggesellentischen, hochgebundenen Haaren und im Stich gelassenen Mädchen, offener Enttäuschung und versteckten Flachmännern. »Allerdings habe ich alles nur durch einen dichten Tränenschleier wahrgenommen.«
Er nickt, und mit diesem Zugeständnis verdient er sich eine Führung durch die Veranstaltung.
»Okay, das Thema war die Gameshow ›Shoot for the Stars‹, deshalb war die ganze Decke voll mit sternenförmigen Gasluftballons.« Ich deute auf die feuerfesten Deckenfliesen. »Das klingt abscheulich, aber ich fand damals, dass es aussah wie im Video zu ›Modern Love‹, und mochte es irgendwie.« Er hebt die Augenbrauen. »Sagen wir, es war kontrovers. Egal, jedenfalls war alles silbern und glitzerte. Michelle und ihre Leute hatten sich richtig ins Zeug gelegt und … es war halt ein Abschlussball.« Ich zucke mit den Schultern. »Die Getränketische waren hier aufgestellt, glaube ich … und hier.«
Jake folgt mit den Augen meinen Armbewegungen und schaut sich jeden Ort, auf den ich zeige, genau an, so als würde alles wieder zum Leben erwachen. Er strahlt.
»Sam, Todd und Benjy … haben gespielt. Sam hat gesungen.«
»Und ich bin auch dort oben auf der Bühne. In dieser Version.«
Mühelos hüpft er auf die Bühne und stellt sich ans ausgestöpselte Mikrofon. »Was hattest du an?«
»Ein rosa Ballonkleid von Jessica McClintock.« Mit einer Geste ahme ich den Puff nach.
»Sexy.«
»Donna Martin aus Beverly Hills 90210 trug genau das gleiche Kleid.«
Er lächelt und fängt an zu singen: » Is it getting better, or do you feel the same? « Seine Stimme erfüllt den Raum mit ›One‹,
das er immer mir gewidmet hatte. Prophetisch. »Und dann beenden wir unser Set, und der DJ übernimmt, und wir haben Zeit, mit unseren Freundinnen zu tanzen.« Er steigt von der Bühne. »Darf ich bitten?«
»Ich …«, protestiere ich, aber er summt weiter das Lied vor sich hin, verschränkt seine Finger mit meinen und führt meine Hände zu seinem Nacken, wo er sie auf seine warme Haut legt. Seine Hände umschließen meine Hüften, und wir beginnen langsam zu tanzen. Während wir uns zur Andeutung einer Musik wiegen, die hier vor über einem Jahrzehnt hinaus ins Universum schallte, bin ich überwältigt davon, wie gut es sich anfühlt. Ich atme tief ein und rieche die Haut unter seinem Eau de Cologne, den vertrauten Duft, den ich immer mit frischem, süßem Mais verglichen habe.
Er flüstert mir ins Ohr: »Abschlussball … abgehakt. Was brauchst du sonst noch?«
Ich weiß plötzlich genau, was ich brauche, aber ich biete meine ganze Kraft auf, diese Vorstellung zurückzustellen, um mir das zu holen, wofür ich hier bin. Also lehne ich mich zurück und schaue ihm in die Augen. »Was ich brauche, ist, dass du mit mir Schluss machst.«
Er senkt den Blick zum Boden.
»Ich muss es hören.«
»Also gut.« Er hebt die Wimpern und betrachtet forschend mein Gesicht. »Äh, ich schätze, ich hätte dir gesagt …«
»Nein«, schüttle ich den Kopf. »Nicht ›hätte‹.«
Er nickt, versteht, um was ich ihn bitte. »Katie?«
»Ja?«
»Es gibt etwas, das ich dir schon lange sagen wollte, aber ich wusste nicht, wie. Du weißt doch noch, wie dieser Talentscout kam und uns spielen sah und … na ja, er will, dass ich nach L.A. komme. Er glaubt, er kann mir einen Plattenvertrag verschaffen.« Er reibt sich das Kinn, schlüpft wirklich in die Rolle des Siebzehnjährigen.
»Wow, das ist ja der Wahnsinn!«, sage ich und spüre ein unerwartetes Flackern echter Begeisterung.
»Ich habe also darüber nachgedacht, dich mitzunehmen, und ich habe es immer und immer wieder in Gedanken durchgespielt, aber …«
»Aber?« Ich sehe ihn an und wünsche mir verzweifelt, dass diese unmögliche Frage endlich beantwortet wird.
»Du hast dein College, und ich habe keine Ahnung, wie es dort draußen sein wird, und … und … in deinem Leben ist gerade alles so zerbrechlich.« Mit der Hand fährt er mir durch die Haare, umfasst mit gequältem Gesichtsausdruck meinen Kopf. »Wenn es nicht klappt, könnte ich nie damit leben, dich mit dorthin geschleppt zu haben. Wie auch immer, ich weiß, dass ich dich so verdammt vermissen werde, dass mir das Atmen schwerfällt. Ich weiß, dass ich jeden Morgen – jeden einzelnen Morgen – aufwachen und mich fragen werde, ob ich nicht einen riesigen Fehler gemacht habe …
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