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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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erschossen. Letzten Endes meinetwegen. Weil sie es gewagt hatte, mich zu lieben und mir Zivilkleider zu besorgen und mir zur Flucht zu verhelfen. — Bist du jetzt zufrieden?«
    »Mein Gott...«, hörte er sie murmeln.
    »Sie war neunzehn Jahre alt«, sagte er hart und zornig, »und sie war, als sie unter den Kugeln zusammenbrach, ein unberührtes Mädchen. Das ist alles. Und jetzt kennst du auch diese Geschichte.«
    Elisabeth hockte, das Gesicht in den Händen vergraben, stumm auf ihrem Lager. Und plötzlich spürte er, daß das Bett von dem lautlosen Weinen, das ihren Körper erschütterte, mitbebte. Aber er war zu erregt und zu verhärtet, um den Weg zu ihr zu finden. Die Glut seiner Zigarette näherte sich dem Mundstück. Er suchte nach einer Ablage und stand schließlich auf, um den Rest durch einen Schlitz der Jalousie in den Garten zu werfen.
    »Bist du nun zufrieden, Elisabeth?« fragte er müde und setzte sich zu ihr. Er zürnte ihr nicht mehr und er hoffte, sie werde es eingesehen haben, daß es auch zwischen ihnen Geheimnisse geben durfte, die man am besten ruhen ließ. Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an seine Brust. Für eine kurze Zeit ließ sie es geschehen, daß er sie hielt. Er spürte, wie seine Schulter von ihren Tränen naß wurde und wie diese Tränen auch die zornige Aufwallung wegspülten, die ihn bewegt hatte. Aber als er sie näher an sich zog und mit den Lippen ihren Mund suchte, entzog sie sich ihm und glitt in die Dunkelheit zurück.
    »Bitte, versteh mich nicht falsch«, sagte sie fast unhörbar, »aber damit muß ich allein fertig werden...«
    Er zog sich blind und enttäuscht auf sein Lager zurück, streckte sich aus und starrte gegen die Decke. Es war so still im Zimmer, als sei er allein. Er hörte nicht einmal Elisabeths Atem. Er vernahm nichts als den raschen Schlag seines Herzens und das knirschende Geräusch, mit dem es sein Blut durch die Halsschlagader pumpte. Und wie kleine, stechende Schmerzen pochten die Worte an seine Stirn, die Elisabeth heute gesprochen hatte: »Was mich am meisten erschreckt, ist der Gedanke, wie fremd wir uns im Grunde sind. — Wie wenig wir voneinander wissen. — Was da noch alles zum Vorschein kommen mag. — Wie wir die Vergangenheit mitschleppen. — Und wie sie plötzlich lebendig wird und sich zwischen uns aufrichtet!«
    »Nein, Elisabeth«, sagte er leise, »es gibt nichts, was zwischen uns steht und was uns trennt. Du wirst es selber einsehen, wenn ich dir alles erzählt habe. Und du hast natürlich ein Recht, alles zu erfahren. Es ist eine Geschichte, die mir jahrelang wie ein Gewicht auf der Brust lag. Ich spürte den Druck nicht immer gleichmäßig stark. Aber manchmal war es ein Wort oder eine Melodie oder irgend etwas, und alle Bilder standen wieder vor mir mit einer furchtbaren beklemmenden Deutlichkeit. So stehen sie auch jetzt vor meinem Auge. Und weshalb ich mich sträubte, den Weg nach Gargnano einzuschlagen, das wirst du verstehen, wenn du alles gehört hast.
    Laß es dir also erzählen.«

Angela

    Zwischen Anzio und Torro Astura bildet die Küste einen sanften Bogen, der sich nach Südwesten öffnet. Das Hinterland, früher sumpfig und malariaverseucht, war in den letzten zwanzig Jahren trockengelegt worden und gab reiche Ernten an Weizen und Mais. Die Geschütze unserer Flakbatterie standen etwa in der Mitte zwischen Porto d’Anzio und Nettuno über dem flachen Sandstrand gut getarnt in Einschnitten, die wir in das kräftig ansteigende Ufer gegraben hatten. Vier Geschütze vom Kaliber 8,8 — die seit der Eroberung Siziliens durch die Alliierten hier gegen einen Landungsversuch in Bereitschaft standen. Gelegentlich nahmen wir ein feindliches Schnellboot unter Feuer, das in der Nacht oder in den Morgenstunden einen Posten der Küstenwache auszuheben versuchte. Sonst war es seit einem guten halben Jahr die ruhigste Stellung von der Welt. Die Abteilung, zu der wir gehörten, lag in Nettuno; der Stab des Regiments befand sich in Sabaudia. Es war eine reichlich dünne Kette, eigentlich nicht mehr als ein Stolperdraht, und wir fühlten uns in unserer Haut nicht gerade wohl, wenn wir an den Ernstfall dachten.
    Die einzigen Störenfriede waren drei englische Jäger, die dreimal am Tage über die Stellung hinwegbrausten, morgens um acht, mittags um zwölf und nachmittags um fünf, pünktlich mit dem Glockenschlag. Der eine von ihnen hatte sich auf das Zifferblatt der Kampanile von Pastola spezialisiert und die Ziffern und

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