Liebe auf südlichen Straßen
die Mädchen, die sonst schon in der Frühe gekommen waren, um die Wäsche abzuholen und mit den Soldaten zu schäkern, blieben aus, sogar Angela.
»Verstehst du jetzt, capo Lorenzo, was hier los ist?« fragte Peppino. »Sie haben Angst vor den Partisanen. Die Scheunen sind voller Weizen und Mais. Ein einziges Zündholz genügt, um die ganze Gegend einzuäschern.«
Er warf das Huhn, das er sicherlich gestohlen hatte, auf mein Bett und den Parmesan dazu: »Mir wird die Luft zu dick. Die englischen Panzer rollen schon auf Pontinia zu. Ich möchte wetten, daß sie spätestens übermorgen hier sind.«
Er schien über die Lage besser informiert zu sein als unser Chef, der noch immer auf die Rückkehr seiner Melder und auf neue Befehle wartete.
»Was soll das Huhn kosten, Peppino?«
»Nichts, capo Lorenzo, keinen soldo. Es ist ein Geschenk von mir an dich. Du warst immer sehr anständig zu mir.«
Ich hatte vor ein paar Tagen von daheim ein Feldpostpäckchen bekommen. Vertrocknete Plätzchen, die meine Mutter gebacken und Zigaretten, die sich mein Vater von der Tabakration abgespart hatte, dazu ein blitzendes und zumeist tatsächlich funktionierendes Patentfeuerzeug. Ich zog es aus der Hosentasche und drückte es als Gegengabe Peppino in die Hand. Es fehlte nicht viel und er wäre mir um den Hals gesprungen.
»Un’ accendisigaro!«
Solch ein Einhandfeuerzeug war seit langer Zeit sein sehnlichster Wunsch gewesen. Er holte zwei verdrückte Zigaretten aus der Brusttasche, die genauso aussahen, als hätte er sie aus gefundenen Stummeln selber gedreht, schob mir eine zwischen die Lippen und ließ das Feuerzeug aufspringen. Daß es auf Anhieb aufflammte, riß ihn zu einem entzückten Aufschrei hin. Deutsche Präzisionsarbeit! Peppino mochte dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein. Er wußte es selber nicht genau. In den Elendsquartieren von Neapel aufgewachsen, war er von seiner Mutter zum Betteln ausgeschickt oder an Mitglieder der Bettlerzunft vermietet worden. Ein erschreckend magerer kleiner Junge, der zudem künstlich auf scheußliche Krankheiten präpariert worden war, Blindheit, Geschwüre oder verkrüppelte Gliedmaßen. Später hatte er einer auf die Beraubung von betrunkenen Ausländern spezialisierten Diebesbande angehört und sich nebenbei als Schlepper und Zuhälter betätigt. Der Batterie lief Peppino eines Tages wie ein streunender Hund zu. Die Landser staffierten ihn mit angeschwemmten Kleidungsstücken aus, der Küchenbulle füllte ihm den Futternapf, und bald gehörte Peppino zur Batterie und wußte sich unentbehrlich zu machen. Alle Geschäfte, Tausch und Kauf, liefen durch seine Hände. Für Feuersteine, Uhren, Taschenmesser und Medikamente schleppte er Kaffee, Schnaps. Wein. Hühner, Spanferkel, Hammel, Olivenöl und Tabak heran, ja, er vermittelte sogar die Adressen von Mädchen, und es ging in der Batterie das Gerücht, daß er dem Chef und dem Spieß je nach Bedarf anhand eines Fotokataloges Damen aus Nettuno besorge. Seine Geschäfte gingen nicht schlecht, und da ich sein besonderes Vertrauen genoß, erzählte er mir eines Tages, er hätte schon so viel erspart, daß er, ginge der Krieg nur noch ein kleines Jährchen weiter, in Neapel am Porto mercantile ein flottes Etablissement mit Damenbedienung aufmachen könne, ein glänzendes Geschäft, wenn man etwas von der Branche verstände und nebenbei noch ein wenig mit Kokain und Opium handle. Ein klarer Kopf für seine vierzehn Jahre...
Es schien wirklich schlecht um uns zu stehen, wenn er die Batterie und das Geschäft so Hals über Kopf sausen ließ.
»Also, Peppino, dann Arrivederci! Du wirst dich schon durchschlagen, auch bei den Engländern und Amerikanern...«
Er warf die Hände vor, als müsse er den bösen Blick abwehren, und streckte zugleich die Zunge heraus: »Beim kochenden Blut des heiligen Januarius in der Kathedrale zu Neapel! Was redest du da, capo Lorenzo! Die Americani und Inglesi sollen mich kreuzweis...! Nie im Leben werde ich mit ihnen Geschäfte machen oder ihnen gar eine ragazza besorgen, und wenn ich dabei Pleite mache! Ich bin nun einmal auf die Deutschen eingestellt, denn ihr seid sympathische Kerle. Leb wohl und verlaß dich darauf, wir sehen uns wieder!«
Damit verschwand er, und ich war der einzige, von dem er sich verabschiedet hatte. Am Nachmittag war die Batterie von jeder Verbindung abgeschnitten. Nicht einmal der Troß für unsere Geschütze war noch vorhanden, denn die Zugmaschinen waren nach Nettuno beordert
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