Liebe auf südlichen Straßen
ausgebreiteten Schlafanzug, schlüpfte hinein und verschwand im Badezimmer, um sich zu erfrischen. Dann legte er sich zu Bett, verschränkte die Hände unter dem Kopf und starrte gegen die Decke, bis Elisabeth mit ihrer Toilette fertig war. Endlich kam sie. Der Duft eines zarten Parfüms wehte durch den Raum, ihre hochhackigen Pantöffelchen klapperten über den Terrazzo, und schließlich schlüpfte sie unter die leichte Decke. Er lag ganz still und fürchtete, sie könne sein Herz hören, das hart gegen die Rippen klopfte. Eine Weile lagen sie stumm und ohne sich zu bewegen nebeneinander und er begann, um den Schlaf vorzutäuschen, laut und regelmäßig zu atmen.
»Schläfst du schon?« wehte es in sein Ohr.
Er zögerte sekundenlang... »Nein«, antwortete er schließlich ebenso leise.
»Ich habe die Schlaftabletten auf die kleine Glasplatte unter dem Spiegel gelegt«, flüsterte sie.
Er hob sacht den Arm und tastete vorsichtig in die Richtung, wo er ihren Kopf vermutete. Seine Fingerspitzen berührten ihr Haar, und plötzlich legte sie, als hätten ihre Augen die Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, die Wange in seine Hand. Seine Fingerspitzen streichelten ihr Ohr und zeichneten seine Form nach. Und er begann, sie sanft zu sich herüberzuziehen. Elisabeth richtete sich, auf den rechten Ellenbogen gestützt, halb auf. Er sah einen Schimmer ihres Gesichtes und ihrer Schultern.
»Komm zu mir«, flüsterte sie, »und erzähl mir endlich, was das für eine Geschichte mit Gina war...«
Er fuhr empor und starrte in die Dunkelheit...
»Sie nicht feig, Lorenz«, hörte er Elisabeth mit der gleichen verhaltenen Stimme sagen, »und hab keine Furcht, ich werde auch mit dieser Geschichte irgendwie fertig werden. Mich können nur Gespenster ernstlich beunruhigen. Vor wirklichen Dingen laufe ich nicht davon. Also erzähl es schon! Wer war Gina? Und was für eine Rolle hat sie in deinem Leben gespielt?«
»Elisabeth!« sagte er atemlos, »das sind doch Hirngespinste! Ich weiß nicht, wie du auf diesen Namen kommst?!«
»Ganz einfach: du hast ihn selber genannt. Und er tauchte auch in dem Gespräch zwischen Anna und dir auf. Oder willst du das abstreiten?«
Er setzte sich mit einem Ruck auf: »Du bist schrecklich!« stieß er zornig hervor, »du bohrst in meinem Leben herum, und ziehst irgendwelche Namen aus der Versenkung und stellst Fragen an mich, die ich nicht beantworten kann — und die ich auch nicht beantworten will! Nicht, weil ich vor dir Geheimnisse zu verbergen habe...«
»Sondern?« fragte sie.
»Sondern, weil es im Leben jedes Menschen Bezirke gibt, in die man nicht eindringen soll, wenn der Eintritt nicht erwünscht ist! Deshalb! — Ich werde mich auch niemals in deine Geheimnisse drängen!«
»Das ist leicht, weil ich keine habe...«
»Aber ich verlange es auch von dir!«
»Gina hast du also geliebt!« stellte sie fest.
»Mein Gott! Wie du das sagst!« stieß er hervor, als wäre er am Rande der Beherrschung seiner Nerven, »als ob ich Herr Casanova persönlich wäre! Und als ob ich tausend Frauen und tausend Abenteuer hinter mir hätte!«
»Davon habe ich kein Wort gesagt.«
»Natürlich nicht! Aber laß dir, bitte, versichern: Ich war kein Frauenjäger. Ich war in meinem ganzen Leben Frauen gegenüber eher schüchtern als verwegen. Soweit mußt du mich doch nun eigentlich kennen. Vielleicht kam es daher, daß ich ein Erlebnis hatte, das solch einen nachhaltigen Eindruck auf mich machte, daß ich Jahre brauchte, um es zu überwinden. Ja, eigentlich habe ich es erst ganz überwunden, als ich dich kennenlernte!«
»Gina?« fragte sie leise.
»Jawohl, Gina!« antwortete er. als würde er unter Foltern erpreßt.
»Du wolltest sie heiraten?«
»Ja!« antwortete er überlaut.
»Und weshalb hast du es nicht getan?«
Er stand auf und tastete sich durch das dunkle Zimmer zu seinem Anzug, dessen Jacke er über einen Stuhl gehängt hatte. Er fand in der Tasche die Zigaretten und das Feuerzeug. Die gelbe Benzinflamme zuckte für einen Moment auf und blendete ihn, daß er Sekunden brauchte, ehe er die Umrisse der Möbel wieder schemenhaft erkennen und sich zu seinem Bett zurücktasten konnte. Er setzte sich auf den Rand, den Rücken Elisabeth zugekehrt, und rauchte ein paar Züge. Die Glut der Zigarette erhellte sein Gesicht mit rötlichem Schimmer.
»Du willst also wissen, weshalb ich Gina nicht geheiratet habe. Ich will es dir sagen: weil sie tot ist. Sie wurde von den Partisanen der bandièra rossa
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