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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Zeiger der Turmuhr im Verlaufe der Zeit völlig herausgeschossen. Der zweite hatte die Verankerung der vergoldeten Turmzwiebel so weit durchlöchert, daß sie jeden Moment herunterstürzen konnte. Und für den dritten stellte Paul Borngräber, im Zivilberuf Automechaniker und hier Obergefreiter, jeden Morgen einen leeren, leuchtendrot angepinselten Benzinkanister auf den Betonklotz einer nicht fertiggewordenen Küstenbefestigung, und für gewöhnlich fiel er schon beim ersten Feuerstoß aus dem Bord-MG herunter. Die Engländer waren junge Burschen, die den Krieg als Sport und wunderbaren Spaß nahmen. Aber dann fingen sie an, uns beim Baden zu belästigen, und als sie einem Mann die rechte Hand abgeschossen hatten, wurde es Paul Borngräber zu dumm. Er postierte sich mit einem MG hinter einem kleineren Betonklotz, der zwanzig Meter vor dem dickeren Brocken mitten im Strande lag und holte den Engländer, der zehn Meter über dem Wasserspiegel herangefegt kam und schon aus allen Rohren den Kanister bepfefferte, mit einem langen Feuerstoß herunter. Die Maschine rasierte mit der rechten Tragfläche die wackelnde Turmspitze des Kampanile vollends ab und stürzte dicht hinter dem Dorf in einem Maisfeld ab.
    Genau acht Tage später war es mit dem friedlichen Leben zu Ende. Über der See, die träg auf den Strand schwappte, lag ein dünner Nebel. Für die Jäger war er dicht genug, um sie heute am Kommen zu hindern. Um sieben Uhr morgens liefen die Männer der Batterie wie alltäglich durch die Minengassen des Strandes zum Baden. Ich war damals Unteroffizier und mit den achtzehn Mann von meinem Geschütz in der Schule von Pastola einquartiert. Die Räume, in denen wir lebten, verloren nie den Geruch, den alle Schulen der Welt haben: jenen säuerlichen Mief, als dünsteten feuchte Mäntel und Schuhe in der Nähe des Ofens.
    Das Wasser war noch sommerlich warm. Unser Batteriechef, Hauptmann Södering, der im Frieden für eine Steinhägerfirma reiste und ein gemütlicher Mann war, wenn man ihm ab und zu ein Huhn, einen anständigen Rotwein und eine Dame aus Nettuno vorsetzte, ließ sich, bis zum Bauch im Wasser stehend, von seinem Burschen den Rücken einseifen und abschrubben. Er badete, wie wir alle, splitternackt. Ein Teil der Männer tummelte sich weiter draußen im Wasser, der größere Haufen raufte sich bei einem Wasserballspiel, nicht gerade nach sportlichen Regeln, denn die ganze Batterie besaß nur einen blau-gelb gestreiften Gummiball. Bis auf die fehlende Sonne war es das reine Ferienleben.
    Dann erhob sich ein leichter Wind. Er drückte die Nebelschleier seewärts und riß breite Gassen in den wogenden Dampf. Und plötzlich erstarrte alles Leben. Die Nebelwand, die etwa haushoch über der See lag, hatte nicht nur alle Sicht, sondern auch alle Geräusche verschluckt. Durch die Gassen, die der Wind aufriß, drang auf einmal verworrener Motorenlärm, und durch die Nebelschlitze erblickten wir Hunderte von Schiffen aller Art und Größenordnung vom Kreuzer bis zum Schnellboot, eine Armada, deren Geschützrohre sich in einer Entfernung von vier oder fünf Kilometern drohend gegen die Küste hoben. Die Flotte schien zu stehen. Und es war klar, daß beim ersten Aufblitzen der Geschütze die Batteriestellung und das winzige Dorf Pastola vom Erdboden vertilgt sein würden. Es war also ausgerechnet dieser verdammte Küstenstreifen westlich von Nettuno, der zur Landung ausersehen war und der von den Geschossen aller Kaliber plattgewalzt werden würde, um den Landungstruppen freie Bahn zu schaffen.
    Für Minuten wehte der Wind den Nebelrauch wieder zusammen. Der Chef stand wie gelähmt noch immer bis zum Bauch im Wasser, und der Bursche hielt die Frottierbürste in der halberhobenen Hand. Der Rücken vom Alten leuchtete rotbraun herüber, und für Sekunden stand alles wie zu einer Aufnahme mit längerer Belichtungszeit erstarrt da. Dann brüllte der Spieß einen Befehl, und die nackten Männer rannten durch die Minengassen zu den Geschützen. Der Alte mittendrin. Bis auf die Nase, die sich bläulich verfärbte, war er kreidebleich und lief, wie er wahrscheinlich noch nie in seinem Leben gelaufen war. Kurz darauf riß der Wind die Nebelschleier endgültig empor. Am Gefechtsstand kurbelte der Chef, der sich inzwischen ein Handtuch um die Hüften gebunden hatte, das allerdings die Hinterseite freiließ, wie verrückt am Telefon, um der Abteilung den feindlichen Flottenverband zu melden und um Weisung für die Batterie zu bitten.

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