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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Er wischte sich den Schweiß von Stirn und Brust, als er den Hörer ablegte. Der Befehl lautete, abzuwarten, was der Feind unternehmen würde. Und das Feuer erst dann zu eröffnen, wenn sich feindliche Einheiten dem Strand nähern sollten. Wir warteten ab, zehn endlose Minuten lang, in denen uns zu jeder Sekunde die Rohre des Flottenverbandes zudecken und auslöschen konnten. Das Geschwader schien sich nicht von der Stelle zu bewegen. Dabei hatten wir das niederträchtige Gefühl, durch tausend Gläser und Meßgeräte bis in den Magen hinein beobachtet zu werden. Dann quoll dicker Qualm aus den Schloten der großen Pötte, und der ganze Verband zog langsam nach Südosten ab, ohne einen einzigen Schuß abgegeben zu haben. Aber eine Stunde später brach über Nettuno die Hölle herein.
    Wir hörten das Grollen der schweren Schiffsgeschütze, die das flaue Abwehrfeuer überdröhnten und schließlich völlig zum Schweigen brachten, den ganzen Tag und die halbe Nacht. Im Osten brannte die Küste lichterloh, und das Aufzucken des Mündungsfeuers ähnelte einem gewaltigen Seefeuerwerk. Die telefonischen Verbindungen zur Abteilung und zum Troß rissen ab und zwei Melder, die der Chef nach Nettuno schickte, um Informationen und Befehle für die Batterie zu holen, kamen nicht zurück.
    Dafür kam am Morgen Peppino, der ein paar Tage lang verschwunden gewesen war, holte ein gerupftes Huhn und ein Stück grünen Parmesankäse aus dem Beutesack, grinste mich an und sagte: »Come va, come sta, capo Lorenzo? Es sieht verdammt dreckig aus, wie? Die Inglesi machen euch kaputt. Ich bin gespannt, wann ihr hier abhauen werdet. Schade drum, aber was ist zu machen?«
    Erst in diesem Augenblick fiel mir auf, daß er die deutschen Uniformstücke, die er sonst getragen hatte — ausgebleichte Shorts und eine Mütze des Afrikakorps, dazu eine alte feldgraue Uniformjacke ohne Achselklappen — , abgelegt hatte und dafür lange zerlöcherte Hosen und einen blauen Pullover auf der nackten Haut trug.
    »He, Peppino«, sagte ich, »wo hast du deine Uniform gelassen?«
    »Weggeworfen«, antwortete er und fuhr sich mit der flachen Hand über den Hals, »oder soll ich mir deswegen die Gurgel abschneiden lassen, he?«
    »Von wem den Hals abschneiden lassen?«
    »Diamine, von den Leuten der bandièra rossa oder bandièra libertà. Das ganze Land wimmelt von Partisanen. Sie haben amerikanische Maschinenpistolen und stellen jeden an die Wand, der den Deutschen hilft. In Villagio, Podgora und Piave haben sie alle Mädchen kahlgeschoren und verprügelt, die mit den Deutschen unter einer Decke steckten...« Er kniff ein Auge zu und grinste mich an. »Aber die rossi sind die gefährlicheren. Sie tragen rote Halstücher und machen alles kaputt, auch die Leute von der bandièra libertà, wenn ihnen einer von denen in die Hände fällt. Ein Glück, daß mich die anderen erwischt haben. Sie haben mir das Fell vollgehauen und mich laufen lassen. Und da bin ich.«
    Es war des erstemal, daß ich von den beiden Partisanengruppen hörte. Daß sie bereits einen Tag nach der Beschießung von Nettuno die Bevölkerung von Pastola in der Hand hatten, bekamen wir sofort zu spüren. Bis dahin waren uns die Bauern und die Bewohner von Pastola sehr freundlich entgegengekommen. Sie hatten uns mit Geflügel und Wein beliefert, und die Frauen und Mädchen waren gern bereit gewesen, unsere Wäsche zu waschen und die Quartiere in Ordnung zu halten. Mehr als das, die Landser hatten mit den Dorfschönen rauschende Feste gefeiert, und es lag nur daran, daß es zu viele Soldaten und zu wenig Mädchen gab, sonst hätte jeder Mann der Batterie seine feste Braut gehabt. Es gab sogar einige unter uns, unter ihnen Paul Borngräber, die sich zwischen Anzio und Aprilia schon nach einem preiswerten Grundstück umsahen, um an der Autostraße nach Rom eine Tankstelle aufzumachen, wenn der Krieg einmal vorbei war. Sein Mädchen, eine schwarzhaarige Schönheit mit einem imponierenden Busen, hieß Angela und war die Tochter eines Bäckers, in dessen Haus »Paolo« bereits wie ein Schwiegersohn verkehrte.
    Plötzlich gab es keine Hühner, keine Eier, keinen Käse und keinen Wein mehr. Der kleine Markt, der sonst an jedem Vormittag zwischen acht und neun in der Nähe der Batterie stattgefunden hatte, war abgeblasen, und als wir ins Dorf gingen, um uns zu holen, was man uns nicht brachte, waren die Läden geschlossen und die Bauern taten so, als ob eine Pest alles Geflügel vernichtet hätte. Auch

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