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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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worden. Auch die Leitung nach Anzio war unterbrochen. Über Nettuno stieg schwarzer Qualm auf, die Öltanks im Hafen schienen zu brennen. Der Chef ließ sich nicht blicken und der Spieß, Hauptfeldwebel Joseph Heiß, saß in seinem Bunker und trank sich einen Rausch an. Von den Landsern schien sich niemand über die Lage ernsthafte Sorge zu machen. Nettuno hatte wohl allerhand Zunder abbekommen, aber das war weiter nicht tragisch, solange man nicht selber dran war. Die Leute schoben verstärkten Wachdienst, aber sie spielten an den Geschützen einen Dauerskat, den Punkt um einen Pfennig; man konnte die Hosen dabei verlieren.
    Ich schlenderte zum VB herüber. Er hatte seinen vorgeschobenen Posten weiter östlich, wo die Küste mit einer kleinen Landzunge in die See hineinleckte und der Batterie die Sicht auf Nettuno versperrte. Das Meer lag wie leergefegt, nirgends war eine Rauchfahne, nirgends eine Spur vom Feind zu entdecken. Auf dem Weg zur Batterie begegnete mir Otto Freundlich, der Führer des dritten Geschützes. Er war Unteroffizier wie ich und Altphilologe im vierten Semester. Wir beide gehörten zu den ältesten Männern der Batterie und waren nach Tunis und Sizilien sozusagen Rückzugsspezialisten geworden. Hier in der Nähe des Monte Circeo schwamm Otto immer hoch auf den Wogen der klassischen Bildung. Weiß der Himmel, was geschehen wäre, wenn die berühmte Höhle mit ihrem merkwürdigen Schädel- und Steinsetzungsfund auf dem Berg der Kirche schon damals entdeckt worden wäre, als wir in der Nähe lagen.
    »Buona sera, Otto, weißt du, daß Peppino ausgerissen ist?«
    Er antwortete mit einem griechischen Zitat, das ich nicht kannte und hob die dünne Nase schnüffelnd in den Wind.
    »Ich habe auch eine Neuigkeit für dich: Weißt du, daß dem Alten heute nacht sein Mädchen durchgebrannt ist?«
    »Daher die Trauer und das Besäufnis!«
    »Jawohl, mein Junge«, sagte er, »es stinkt gewaltig. Ich weiß nur nicht, woher. — Komm mal mit!«
    Wir kletterten die Uferböschung empor und gingen durch das Dünengras nach Pastola. Die Leute verschwanden bei unserer Annäherung in den Häusern. Und die Hunde kläfften uns bösartig an, als wir durch die leeren Straßen gingen. Es war ausgesprochen ungemütlich, und wahrscheinlich hatte jeder von uns beiden das unangenehme Gefühl, im nächsten Moment könne es aus irgendeinem Fenster oder Mauerschlitz knallen.
    »Wohin?« fragte ich und legte die Hand zur Beruhigung auf die braune Ledertasche meiner Nullacht...
    »Auf den Kampanile...«
    Es war, wie bei fast allen italienischen Kirchen, ein frei stehender Glockenturm. Die Südseite war von den MG-Garben unseres Engländers wie mit Fliegendreck besprenkelt. Einschlag saß neben Einschlag. Wir kletterten die enge und steile Stiege hinauf, ohne die Fledermäuse zu stören, die, zu Klumpen geballt, in den höheren Regionen des Treppenschachtes und an der Decke des Glockengestühls hingen. Durch die Schallschlitze hatten wir weite Sicht über das Land. Es lag flach wie der Boden einer riesigen Wanne unter uns und machte mit seinen schnurgerade gestochenen Meliorationsgräben und Abzugskanälen, in denen eine braune Brühe fast ohne Gefälle seewärts zog, den Eindruck einer Marslandschaft; einer Marslandschaft natürlich mit abgeernteten und zum Teil schon umbrochenen Feldern. Zartblau, hingetuscht säumten im Nordosten die Monti Lepini den Horizont. Sie schienen in unglaublicher Ferne zu liegen. Irgendwo dort hinten mußte die Straße dahinziehen, die von Terracina nach Rom führte, die alte Via Appia, die dort durch die Pontinischen Sümpfe lief. Sie lag viel zu weit entfernt, als daß wir selbst mit dem Artillerieglas etwas von ihr entdeckt hätten, geschweige denn von dem, was auf ihr vorging. Was wir sahen, waren Rauchsäulen, die von Leferriere bis Campoleone aus der Landschaft aufstiegen und die ebensogut brennende Dörfer wie Laubfeuer sein konnten.
    Aber über der unheimlichen Stille der Landschaft lag ein Geräusch wie das Summen eines Bienenschwarmes in einer Linde, kaum vernehmbar, von der Haut fast deutlicher wahrgenommen als vom Ohr, eine zitternde Schwingung der Luft, ein unendlich fernes Dröhnen, das sich verstärkte, wenn man sich unter die größere der beiden Bronzeglocken stellte.
    »Artillerie...?« flüsterte ich Otto zu.
    »Klingt mehr nach Panzern...«, murmelte er und krauste die Nase.
    Zwei Stunden später taumelte ein verwundeter Feldpolizist ins Dorf. Zwei Landser, die es nicht glauben

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