Liebe auf südlichen Straßen
Batterie bereits eine Stunde vor unserer Ankunft durch den Ort marschiert war und an allen markanten Punkten für uns mit Kreideschrift Informationen hinterlassen hatte. Diese Markierungen waren im gleichen Augenblick, in dem der letzte Mann Ardea verlassen hatte, sorgfältig ausgelöscht worden, so sorgfältig, daß wir außer kleinen Verfärbungen des Verputzes an Kirche, Rathaus und Schule nirgends einen Anhaltspunkt fanden, wohin wir uns zu wenden hätten.
Es gab mehrere Möglichkeiten. Die Batterie konnte an der Küste entlang weitermarschiert sein, oder sie konnte, um den Weg nach Castel Gandolfo abzukürzen, die Straßen nach Pomezia oder Albaro eingeschlagen haben. Das waren die Hauptverbindungen. Daneben gab es noch zwei ziemlich verwahrloste Landwege, die zwischen diesen Autostraßen zum Ziel führten. Ich schwor dem Padrone feierlich, daß ich persönlich zurückkommen und ihn umlegen würde, wenn er uns nicht auf die Straße führe, die die Truppe eingeschlagen hatte.
»Ich führe Sie, aber nur, wenn Sie mich mit der Pistole in der Hand dazu zwingen, maresciallo!« sagte er und hoffte wahrscheinlich, sich bei mir durch meine Rangerhöhung zum Feldwebel einzuschmeicheln. Ich verstand ihn genau. Er war uns nicht übel gesinnt, aber er brauchte nach außen hin die lebensgefährliche Bedrohung, um seinen Landsleuten zu demonstrieren, daß er unter Zwang handele. Den Gefallen tat ich ihm gern. Ich hielt ihm den Pistolenlauf in den Rücken und schob ihn voran, er hob die Arme halb empor und so marschierten wir, von einer düster schweigenden Bevölkerung beobachtet, durch den Ort. Wir sahen sofort, daß wir uns mit der Straße nach Pomezia auf dem richtigen Weg befanden, denn wir entdeckten trotz der Dunkelheit weggeworfene Zigarettenpackungen von der Sorte, die von der Marketenderei an unsere Batterie ausgegeben worden waren. Unsern Führer konnten wir entlassen. »Wenn Sie vielleicht noch ein paar Schüsse hinter mir herjagen würden, maresciallo...«, schlug er vor, »natürlich in die Luft!«
»Ich hätte die größte Lust, dir einen Tritt in deinen Hintern zu versetzen, du Schweinehund«, sagte ich böse.
»So verstehen Sie doch, maresciallo...!« jammerte er.
»Hau ab, du Gauner!« sagte Kanonier Puhvogel und gab dem Mann den Tritt, den ich ihm nur zugedacht hatte, »und zeig daheim deine nàtica vor, wenn du eine Legitimation brauchst!«
Er stob davon, als hätte er einen Raketenantrieb bekommen. Ich sammelte meine Männer und setzte mich an die Spitze des kleinen Zuges.
Nach ein paar Kilometern rückte Paul Borngräber zu mir auf. Rechts von uns, in einer Entfernung, die sich schwer abschätzen ließ, die aber gut und gern zwanzig Kilometer betragen mochte, lag ein rötlicher Schein vor den unsichtbaren Bergen. Brennende Dörfer vielleicht mit den reichen Erntevorräten oder brennendes Kriegsmaterial, Benzin- und Munitionstransporte, die, von den feindlichen Fliegern in Brand geschossen, die große Rückzugsstraße taghell erleuchteten und den Nachtjägern die Richtung wiesen; denn immer wieder brach es irgendwo von neuem rot von Explosionen auf, als ob unzählige Novas am Horizont in riesigen Katastrophen auseinanderbarsten.
»Also Marschziel Castel Gandolfo...«, brummte Paul Borngräber neben mir, »was hältst du davon, Lorenz?«
Was ich davon hielt? Wir rannten natürlich geradewegs in die Hölle hinein, in die Hände von verrückt gewordenen Feldgendarmen, in verstopfte Straßen, krepierende Munitionskolonnen, verkeilte Fahrzeuge, stinkende Pferdekadaver, kurzum, in den Tod in jeder nur erdenkbaren Form.
»Siehstewoll!« sagte er, »das ist auch haargenau meine Meinung! Aber wozu eigentlich? Haben wir es nötig?«
»Mensch, Paule, wir müssen schließlich der Batterie nach!«
»Klar, Mann! Aber kein Schwanz von uns weiß, wo sie liegt. Oder hast du vielleicht irgendwo einen neuen Marschbefehl gelesen? Ich auch nicht! Haben die Brüder in Ardea sauber ausgepinselt. Na also! Und jetzt bist du Chef von diesem Haufen...«
»Und du meinst, Paule...?« fragte ich unbehaglich.
»Na klar, Mann! Genau das meine ich! Wir bleiben schön seitab vom großen Orlog und schlagen uns ganz stiekum quer durch die Campagna über Castel Roma oder Castel Porziano so weit durch.
bis wir als versprengter Haufen von einem Blechhengst aufgegriffen werden und neue Marschrichtung kriegen. Capito oder nicht capito?«
Er hatte natürlich vollkommen recht. Ein alter ausgekochter Feldzugssoldat mit jener
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