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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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die Sieger. Wir umgingen Florenz, das zur offenen Stadt erklärt worden war. Und hinter Florenz beruhigte die Front sich langsam. Wahrscheinlich waren die Alliierten mit ihrem ersten Erfolg zufrieden und sammelten für den letzten Stoß neue Kräfte und neues Material.

Gina

    Von Norden fluteten uns Truppen entgegen. Es war der Ersatz, mit dem unsere zerschlagenen Verbände aufgefüllt wurden. Unser Regiment wurde in die Gegend von Genua verlegt. Die Abteilung kam nach Nervi. Und unsere Batterie unter Hauptmann Södering und mit Oberfeldwebel Hempel als Spieß bezog eine funkelnagelneu eingerichtete Stellung zwischen Recco und Camogli an der Riviera di Levante. Speziell unsere Gegend nannte sich — und das war keine Erfindung des Fremdenverkehrsvereins oder der großen Reisebüros — Golfo di Paradiso. Ein Traum von blauem Wasser, gelbem Strand, blühenden Hügeln, seidigem Himmel und Morgenbad und Frühgymnastik, nur daß der Strand in Pastola weicher gewesen war. Hier gab es viele Steine. Der Spieß begann aus seiner Lethargie zu erwachen und wurde wieder scharf wie ein Rasiermesser. Er achtete auf baumelnde Knöpfe, strammen Sitz der Hosenträger, blitzblank geputztes Lederzeug, hielt Waffenappelle wie im Rekrutendepot ab und führte, was uns gänzlich abhanden gekommen war, wieder stramme Grußdisziplin ein. Ich mußte mich selber langsam an die neue Strammheit gewöhnen. Aber Hein Puhvogel, der inzwischen sogar zum Obergefreiten befördert worden war, schüttelte nur den Kopf.
    »Mensch, Maresciallo!« sagte er manchmal, wenn wir nach Camogli gingen, um einen zu heben, »weißt du noch, wie der Alte meine Hundeknochen benagt hat und mir aus der Hand fraß? Das waren noch Zeiten! Jetzt sieht er mich wahrhaftig an, als ob er sich besinnen müßte, wer ich bin und wo er mir schon mal begegnet ist und scheißt mich wie einen nassen Sack an, weil er den Sitz von meinem Schiffchen zu flott findet. Zwei Fingerbreit über der linken Augenbraue und drei über der rechten! Aber Sie kommen daher wie ein besoffener Fuhrknecht! — Na, wart mal ab...!«
    Aber Heins düstere Prophezeiungen oder Wünsche schienen nicht in Erfüllung zu gehen. Nichts störte die Ruhe im Golfo di Paradiso. Mich hatte der Alte zum Ortskommandanten von Camogli ernannt. Ein Städtchen wie aus einem Traum. Von den Bergen dicht ans Meer gedrückt, drängte sich das Nest um den kleinen Fischerhafen. Platz war nicht vorhanden, also hatte man in die Höhe gebaut. Häuser von sechs und acht Stockwerken, alle schmalbrüstig wie Türme und mit leuchtendbunten Fassaden. New York durch ein umgedrehtes Fernglas betrachtet. Dort war ich also Ortskommandant. Das heißt, ich hatte darauf zu achten, daß unsere Leute sich mit den Einwohnern vertrugen, daß die Sperrstunde eingehalten wurde und daß die Ortsverdunkelung funktionierte. Ich nahm meine Obliegenheiten genau, aber auch nicht so genau, daß ich nicht einmal ein Auge oder gar beide zudrückte. Natürlich nicht bei Verdunkelungssündern. Wohl aber, wenn ein Fischerboot einmal zu spät einlief oder wenn sich in dem Hinterzimmer einer Osteria ein paar Weintrinker oder Kartenspieler durchaus nicht trennen konnten.
    Es vergingen keine acht Tage, daß ich in Camogli bekannt war wie ein bunter Hund und daß mich der ganze Ort wie einen alten Bekannten grüßte. Wenn ich jeder Einladung zu einem Glas Wein oder zu einem Aperitif gefolgt wäre, wäre ich wohl nie nüchtern geworden. Wer Sonntagsurlaub bekam, verbrachte ihn in Genua, aber bald war die kleine Reise dorthin nicht mehr nötig, denn die Damen, die dort über die Via Carlo Alberto und über den Corso Odone flanierten, witterten das große Geschäft und bezogen in Nervi, Recco, Camogli und dem wunderbar gelegenen Portofino Sommerquartiere. Und sie trugen die Nummer unseres Regiments in kleinen Herzen aus Silberdraht auf ihren Handtaschen oder stickten sie zierlich auf ihre Blusen und Röcke. Hauptmann Södering trug sich mit dem Gedanken, für die Abteilung in Camogli ein eigenes Etablissement aufzumachen und sah sich schon nach einer freistehenden Villa um, aber er stieß beim Regimentsstab trotz der beredten Schilderung der sanitären und hygienischen Vorzüge solch einer soliden Einrichtung nicht auf das richtige Verständnis.

    Im Anfang war das Hinterland ruhig. Dann begannen auf den Bergen nachts merkwürdige Lichtsignale aufzublinken und es geschah immer häufiger, daß Fouriere, die mit zwei oder drei Mann Begleitung über Land fuhren, um

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