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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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verkauften, die niemand brauchte, aber anscheinend alle haben wollten. Kerzen. Amulette. Auf Papier gedruckte Bücher. Kleider, die schon vor hundert Jahren altmodisch gewesen waren. Buttons mit Bildern aller drei Königinnen Elizabeth – aus dem sechzehnten, dem zwanzigsten und dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert. Manche zeigten sie in ernsthaften Posen, andere mit Flitterkronen auf dem Kopf.
    »Warum kaufen die Leute bloß all das Zeug?«, fragte David.
    Liza zuckte die Achseln. »Um ein bisschen was zum Lachenzu haben, denke ich. Aus Spaß. Um es Freunden als Geschenk mitzubringen, damit die wissen, dass man an sie gedacht hat.«
    »Das ist verrückt«, sagte David, schüttelte den Kopf, lächelte aber gleichzeitig. »Werde ich die Erdlinge je verstehen?«
    Liza war selbst überrascht, als sie seine Hand ergriff. »Du musst uns einfach besser kennenlernen.«
    Sie spazierten weiter, hielten Händchen und lächelten einander an, sie lächelten auch anderen Paaren zu, die zurücklächelten, als teilten sie ein frohes Geheimnis miteinander. Falls überhaupt jemand bemerkte, dass David ein Außerirdischer war, schien es jedenfalls allen egal zu sein.
    Während Liza in ein Schaufenster starrte, in dem ein vollständiges und sehr detailliertes Modell des Buckingham Palace aus Schokolade stand, löste sich David plötzlich von ihr und versprach, gleich wiederzukommen. Liza beobachtete, wie er in
Ye Olde Book Shoppe
verschwand, und freute sich, dass er sie vor dem Schokoladengeschäft hatte stehen lassen.
    »Tut mir leid«, sagte er, als er zwanzig Minuten später wiederkam. »Ich habe mich ein bisschen hinreißen lassen.«
    »Von Büchern?« Liza rümpfte die Nase.
    »Ja, natürlich von Büchern. Besonders von den altmodischen, wie sie dieser Laden verkauft. Auf Papier gedruckt, mit Einband, nichts Digitales.«
    »Ich habe wohl wirklich nicht genug gelesen«, sagte Liza. »Man rät Empathen ab, Romane und Gedichte zu lesen. In der Ausbildung hat man uns beigebracht, dass die Gedanken und Gefühle in den Büchern unsere Wahrnehmung stören könnten.«
    Sie war ein bisschen traurig, als sie merkte, dass etwas, das ihm so wichtig war, für sie eine völlig unbekannte Welt darstellte, und einen Augenblick lang war sie sogar ein wenig eifersüchtig auf die Bücher, für die er eine solche Leidenschaft empfand.
    »Ich würde aber gern mehr lesen. Ich kann eigentlich sehr gut abstreifen, und jetzt, da ich mehr Erfahrung habe, wäre das Risiko nicht so groß.«
    »Dann ist es ja gut, dass ich dir das hier gekauft habe.« Er hielt ihr ein kleines buchförmiges, quadratisches Päckchen hin, das in Papier eingeschlagen und mit einem meerblauen Seidenband verschnürt war. »Für dich«, sagte er. »Zur Erinnerung an heute.«
    Sie wollte es nicht auspacken. Nicht gleich. Sie wollte sich noch auf das Päckchen mit dem blauen Band freuen können, damit der Tag noch nicht zu Ende war.
    Sie schauten einander lange an. Das Schweigen dehnte sich aus, und keiner von beiden schien zu wissen, was man jetzt sagen sollte.
    David schien ihre Gedanken zu lesen und lächelte. »Das solltest du heute Abend zu Hause auspacken. Jetzt bin ich kurz vorm Verhungern. Lass uns Fish and Chips holen.«
    Sie kauften ihr Essen an einem Stand am Pier und aßen so langsam wie möglich, erfanden eine Entschuldigung nach der anderen, um noch ein bisschen länger zu bleiben. Als Letztes schlenderten sie über den Strand. Es war nicht richtig dunkel, weil am Pier und in den Läden so viele Lichter leuchteten, und abgeschieden war dieser Ort schon gar nicht. Doch Liza hatte das Gefühl, an einem dunklen Ort und ganz für sich zu sein, als er die Arme um sie legte und sie küsste.
    Es war der erste richtige Kuss in Lizas Leben, und es fühlte sich an, als flösse ihr ein Quecksilberstrom durch den Körper, glatt und silbern und mit einer ganz eigenen süßen Schwere. Nach all den Jahren, in denen sie gemeint hatte, immun zu sein, in denen sie überzeugt gewesen war, dass ihr dieses zerrende Gefühl des Ertrinkens niemals widerfahren würde, begriff sie, dass es tatsächlich geschah, geschehen war und nie wieder ungeschehengemacht werden könnte. Ohne eine Sekunde zu zögern, küsste sie ihn zurück und hoffte, dass sie ihn so küsste wie er sie, dass auch ihm jener köstlich langsame Zauber durch alle Knochen sickerte.
    »Ich wünschte mir«, sagte er nach einer Weile, »ich wünschte mir wirklich, dass die Dinge anders wären, Liza.«
    »Ich auch«, antwortete sie.

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