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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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dass die Mutter mit dem Kinderwagen eine Selbstmordattentäterin war.
    »Sie versuchen es mit Logik und Schlussfolgerungen« sagte er zu Liza. »Vergessen Sie das. Folgen Sie einfach Ihrem Bauchgefühl.«
    Sie versuchte es und hatte bei den nächsten drei Malen Erfolg, was, wie der Major ihr sagte, ziemlich gut war. Doch als er sie fragte, was zu ihrem »Bauchgefühl« geführt hatte, konnte sie es nicht sagen. Dann machten sie eine Mittagspause – sie hatte die Wahl zwischen Thunfischsalat oder Käse mit Branston Pickle, einer süßlichen braunen Soße, an die sie sich wohl nie ganz gewöhnen würde – und dann erhielt sie ihre Testergebnisse.
    »Nun, Miss McAdams«, begann Major Dawson, »Sie haben sich in einer ganzen Reihe von Umständen als außerordentlich unfähig erwiesen, die Zukunft vorherzusehen.«
    »Oh.« Zur ihrer Überraschung war Liza enttäuscht. Obwohl sie bei dem Gedanken, eine Seherin zu werden, sehr gezögert hatte, wollte sie doch gut abschneiden. Sie begann, ihre Sachen zusammenzupacken.
    »Aber«, fuhr er fort, »in den wichtigsten Tests haben Sie ein ungewöhnlich hohes Potenzial unter Beweis gestellt. Möchten Sie noch mehr hören?« Liza lehnte sich nun wieder entspannt auf dem Stuhl zurück und der Major lächelte. »Die Tests, beidenen sie am schlechtesten abgeschnitten haben, waren die Glücksspieltests – die Lotterie und die Kartenvoraussage. Die Schnelligkeit, mit der Sie diese Tests im Vergleich zu den anderen absolviert haben, lässt darauf schließen, dass ein moralisches Urteil eine Rolle gespielt haben könnte.«
    »Ist das denn nicht gut?«
    »Vielleicht in manchen Fällen schon«, erwiderte der Major nachdenklich, »aber wir funktionieren hier wie ein großer Organismus, und da ist kein Platz für Einzelbeurteilungen. In den meisten Fällen wird man Ihnen nicht sagen, was Sie suchen sollen. Ein Zielobjekt kann alles Mögliche sein, von einer Geisel bis hin zu einer Atombombe in den falschen Händen. So sorgen wir dafür, dass Ihre Wahrnehmungen so unverfälscht und spontan wie möglich sind und nicht durch irgendwelche Erwartungen verfälscht werden. Unsere Anfragen werden Ihnen also nicht unbedingt immer sinnvoll erscheinen, vielleicht sogar manchmal zweifelhaft, aber wir gehen davon aus, dass Sie sie trotzdem alle ernst nehmen.«
    »Na gut«, antwortete Liza.
    Der letzte Test, den sie zusammen durchgingen, war der, den Major Dawson
Betrachtung
nannte und in dem Liza gebeten worden war, ein Bild zu beschreiben, das vor ihr verborgen war.
    »Alle falsch«, verkündete der Major fröhlich, »aber der Wahnsinn hat Methode. Versuchen wir es noch einmal. In diesem Umschlag ist ein Bild. Ich habe Sie gefragt, was Sie gesehen haben. Können Sie sich noch an Ihre Antwort erinnern?«
    »Eine Leiter.«
    »Ah. Jetzt machen Sie Ihren Kopf ganz leer. Keine Leiter mehr. Sagen Sie mir, was für Linien sehen Sie?«
    »Geraden«, erwiderte Liza ohne Zögern. »Lang, vertikal, aber nicht ganz parallel. Oben näher zusammen als unten.«
    »Farben?«
    »Mmh. Grau. Wie Metall oder Stein. Aber es ist auch Weiß zwischen den grauen Linien. Etwas   … eine Wolke?«
    »Denken Sie nicht an bestimmte Gegenstände, nur an Eigenschaften.«
    Liza nickte und versuchte es noch einmal. »Etwas Helles. Nicht nur eine helle Farbe. Hell und leicht – luftig.«
    Der Major schob ihr den Umschlag hin. »Schauen Sie mal nach.«
    Liza zog das Bild heraus. »Wow.« Jedes Element, das sie benannt hatte, war da. Nur die Schlussfolgerung, dass es eine Leiter war, war verkehrt gewesen. Die beiden langen grauen Linien, die oben näher zusammen waren als unten, stellten sich als die felsigen Seiten eines Wasserfalls heraus. Die Helligkeit, die sie irrtümlich als Sprossen der Leiter interpretiert hatte, war das luftig neblige Sprühen des Wassers.
    »Sie haben sich gerade von einer F-Kandidatin zu einer A-Kandidatin verbessert. Interessiert?«
    Liza hatte seit dem Anfang ihrer Ausbildung zur Empathin nicht mehr eine solche Aufregung verspürt. »Wann kann ich mit der Ausbildung anfangen?«
    »Sie haben das mehr oder weniger bereits getan. Wir bilden Sie aus, indem wir Ihnen wirkliche Aufgaben zuteilen, bei denen Sie mit einem großen Team zusammenarbeiten. Da Sie im Großen und Ganzen ehrenamtlich arbeiten, ist der Zeitplan flexibel. Ich muss Sie jedoch warnen.«
    »Weswegen?«
    »Falls Sie auf irgendwelche Vergünstigungen aus sind: Mehr als einen Thunfischsalat oder Käse mit Branston Pickle wird’s nicht geben.

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