Liebe braucht keinen Ort
Steinkreisen und blickten auf den Horizont hinaus.
»Genau zur richtigen Zeit«, sagte David. Er führte sie rasch zur Ostwand, und die Aussicht verschlug Liza den Atem. Weit unter ihnen lag der dichte Dschungel, dunkelgrün mit einem schwebenden Baldachin aus Nebel darüber. Das Grün drang durch den Nebel hindurch und hüllte alles in einen weichen Schimmer, sogar den hellen Steinbuddha, der mit ihnen Wache hielt. Hätte Liza es nicht besser gewusst, sie hätte schwören können, dass die Statue aus hellster milchiger Jade geschnitzt war. Und dann tauchte die Sonne über dem Horizont auf. In einem einzigen Augenblick verwandelten ihre Strahlen den Buddha in schimmerndes Gold. Dieser magische Moment dauerte kaum mehr als eine Minute an, aber Liza würde ihn niemals vergessen.
»Oh«, sagte sie und streckte ihre Hand zu David aus. »Das ist mein allerliebster Lieblingsbuddha.«
»Meiner auch, und es gibt niemanden, mit dem ich ihn teilen möchte, außer mit dir.« Er zog sie ganz nah an seine Seite, und so standen sie still da, während das goldene Licht sie überströmte.
»Hier.« David griff in seine Tasche und zog ein kleines, in Seidenpapier gewickeltes Päckchen hervor. »Es tut mir leid, dass es nicht in einer Schachtel steckt. Die halten hier nicht viel von Geschenkverpackungen.«
Liza faltete das Seidenpapier auseinander und fand ein dünnes Goldarmband, an dem zwei Buddhas hingen, einer aus milchiger Jade und der zweite, kleinere, aus reinem, schwerem Gold. »Oh«, hauchte sie, »die sind wunderbar. Ich werde das nie wieder ablegen.«
Sie reichte ihm das Armband und streckte ihm ihren Arm hin. Als seine Fingerspitzen sanft über die weiche Haut an der Innenseiteihres Handgelenks strichen, zitterte sie und wünschte sich, dieser Augenblick würde nie enden. David schien dasselbe zu empfinden, denn auch er zitterte.
Doch schon war der Augenblick vorüber. Der Buddha –
ihr
Buddha – wurde im schwachen Schimmer des frühen Morgenlichts heller. Schon bald wurde es Zeit, zum Flughafen aufzubrechen.
»Was bedeutet es, wenn die Hände der Buddhas in verschiedenen Posen sind?«, fragte sie. »Warum berührt unserer die Erde mit einer Hand?«
»Die Hände stehen für die verschiedenen Aspekte der Lehre des Buddha. Unser die Erde berührender Buddha ruft die Erde als Zeugin für die Wahrheit seiner Lehre.«
»Dann«, sagte Liza, »rufe auch ich die Erde als Zeugin für die Wahrheit, dass dies die beste Woche meines ganzen Lebens war.«
»Für mich auch«, sagte David und schaute ihr fest in die Augen. »Ich wünschte, wir könnten das alles noch einmal machen.«
»Aber das können wir doch«, meinte Liza. »Komm nach London zurück. Irgendwas ändert sich vielleicht. Man weiß nie. Und wenn nicht, dann können wir wenigstens noch ein kleines bisschen länger zusammen sein.«
Plötzlich wurden die Züge um Davids Mund hart. »Ja, es könnte etwas passieren. Wir könnten erwischt werden.«
»Aber bisher haben wir doch Glück gehabt. Warum sollte das nicht so weitergehen?«
Er umarmte sie. »Ich würde alles tun, um mit dir zusammen zu sein, Liza. Aber du weißt nicht, was geschieht, wenn sie dich erwischen.«
»Doch, das weiß ich«, erwiderte sie trotzig und ihre Stimme klang fast scharf. »Du hast mir alles erzählt.«
»Aber es ist für dich nicht wirklich. Ich habe schon erlebt, wiesie Paare auseinanderreißen, den einen ins Gefängnis stecken, den anderen umbringen. Ich kann es nicht zulassen, dass dir so etwas geschieht.«
»Versprich mir, dass du darüber nachdenkst, nach London zurückzukommen. Versprich mir wenigstens das.«
Er sagte nichts, und sie standen noch lange schweigend da und hielten einander umfangen, bis die ersten Touristen die Spitze der Pyramide erreichten und sie ihnen den Platz auf Erden überließen, an dem sie so glücklich gewesen waren.
Kapitel 15
Federball
Vier Nächte nacheinander träumte Liza von Federball. Die Träume begannen kurz nach ihrer Rückkehr nach London, und zunächst dachte sie sich nichts dabei. Sie litt unter Jetlag und war emotional völlig erschöpft. Dass sie das Badmintonturnier angeschaut und dann am nächsten Tag mit David versucht hatte, Badminton zu spielen, war einer der Höhepunkte ihrer Reise gewesen. Es überraschte sie nicht, dass ihr Unterbewusstsein noch weiterspielte. Und es war auch keine Überraschung, dass der Federball das Symbol war, das sich ihre Gedanken im Traum ausgesucht hatten. Der Federball, den sie und David verloren
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