LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
Situation vor seinem inneren Auge: Als eines der Teams in fast der gleichen Lage war, hatte einer der Konkurrenten ein Rohr als Abstiegshilfe zweckentfremdet. So etwas wie ein Rohr gab es in einem naturbelassenen Wald wie dem hier nicht, musste er mit Bedauern feststellen, aber einen gescheiten Stock. Zum Glück gab es davon im Überfluss, der Waldfee sei Dank . Nach kurzem Prüfen, ob der abgebrochene Zweig auch nicht morsch war, wurde um das Holzstück eine Art Schlaufe gewickelt, und durch so einen einfachen Trick gelang dem ramponierten Bergsteiger der Abstieg. Zum Glück auch ohne die schmerzhaften Zwischenstopps.
'Hoffentlich hat die Batterie noch genügend Saft' , war im Moment Morgensterns einzige Sorge. Als er das kleine Teil vor dem Kühler betrachtete, bekam er es mit der Angst zu tun. Würde ihm sein Vorhaben nicht wegen der Winde doch noch misslingen? Die verblasste Aufschrift ‚Made in W.Germany‘ gab ihm neue Hoffnungen. ‚Gute deutsche Wertarbeit zusammen mit robuster Sowjettechnik ist fast immer eine gute Komposition‘, dachte Raphael grinsend. Tatsächlich rappelte sich der kleine Russe langsam den Hang hinauf, zeitweise schneller als der Inspektor selbst, da Morgenstern in respektvollem Abstand dem kriechenden Fahrzeug folgte. Voller Stolz stand er, wie David nach dem Sieg über Goliath, am Gipfel seines Triumphs. Als er Lisa den Wagen präsentierte, strotzte er nur so vor Männlichkeit.
Lisa hüpfte vor Freude und Zuversicht, dass sie heute die Nacht nicht im Wald verbringen musste. Der erfreuliche Gedanke stimmte sie glücklich. Dafür drückte sie ihrem verdreckten Partner einen dicken Schmatzer auf seine vor Schmutz verkrustete Wange. Wischte sich weniger elegant über die Lippen, eine Ameise ausspuckend. „Wie hast du das geschafft? Ich bin wirklich stolz auf dich, Herr Morgenstern.“ Seine Partnerin lächelte müde. „Ich habe das ganze Volumen meiner internen wie externen Speicherkapazität aufgebraucht.“ Sie wedelte ihm mit ihrem Smartphone vor der Nase herum, so als wollte sie damit zeigen, dass sie in der Zwischenzeit nicht nur Däumchen gedreht hatte.
Raphael nickte nur und forderte sie mit einem Wink zum Einsteigen auf.
Die Beifahrertür klemmte, sie war wahrscheinlich bei dem unsanften Aufprall mit dem Dodge, da war sich Morgenstern nun mehr als sicher, zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden.
Die Dame kletterte nicht sehr graziös durch die Fahrertür und plum pste in den Beifahrersitz. Das Innere des Wagens war sehr gepflegt, stellte sie anerkennend fest, als sie zähneknirschend an ihr neues Auto dachte, das ab heute mehr als nur eine Politur brauchte. Raphael setzte sich stöhnend hinter das Steuer, zog dabei die Luft zwischen seinen Zähnen ein und verzog sein Gesicht vor Qualen zu einer Grimasse.
„Geht's?“, erkundigte sich Lisa mitfühlend, dabei legte sie ihre Stirn in Falten.“Nun mach schon, Raphael, spann mich nicht auf die Folter. Ich will wissen, ob er schnurrt oder meinem im Graben liegen gebliebenen Auto heute Nacht Gesellschaft leisten wird.“
Gleich beim ersten Mal brummte der Motor. Ein Fr eudenschrei ertönte, Raphaels graues Gemüt lichtete sich. Ein Durchdrücken des Gaspedals ließ den Motor aufheulen, endlich begann die lang ersehnte Fahrt zum trauten Heim. Dabei kam aber keine Freude auf, denn das Schlimmste stand ihnen noch bevor, beide wussten es. Keiner sagte ein Wort. Sie genossen erst einmal den kleinen Sieg. Der Krieg musste erst noch gewonnen werden.
War er seinem Sohn dadurch näher gekommen? Oder war all die Mühe umsonst?
Raphael wusste es nicht.
*****
Andreas atmete schwer, als ihn die Würgeattacke los ließ, in der sengenden Sonne schmolz er einem Eiswürfel gleich. 'Weg von der Straße' , war alles, was ihn im Moment beschäftigte. Halb aufrecht, halb nach vorne gebeugt, taumelte sein wabbeliger Körper vom Straßenrand in das vom Weizen vergoldete, teilweise grün schimmernde Feld. Die Ähren tanzten wie kleine Meereswogen im sanften Wind, der etwas frische Luft mit sich brachte. Es war ein schöner Julitag, wenn man von den Umständen absah, die heute den Möchtegern-Journalisten heimsuchten. Etwas tiefer im Getreidefeld stand eine einsame Eiche, wie aus einem Bilderbuch bot sie rettenden Schatten vor der sengenden Nachmittagshitze und den erbarmungslosen Sonnenstrahlen. Andis Haut war weißer als Papier, zumindest sagten es seine Kollegen, darum musste er sich verstecken. Auch seiner vollgepissten
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