LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
blinzelte sich wieder in die Wirklichkeit zurück.
Raphael starrte auf das Display. „ Seehoffer.“ Sorge lag in seiner Stimme. Achselzuckend nahm er das Gespräch an.
„Ja ? Morgenstern am Apparat.“
„Raphael ? Seehoffer hier.“ Sein Boss sprach so laut, dass Lisa ihn auch ohne den Lautsprecher hören konnte. „Wo stecken Sie, verdammt noch mal?“ Bei Seehoffer war das ein Synonym für: „Hallo, wie geht es euch?“
„Ich habe Urlaub! Ich und meiner Partnerin steht es in der Zeit frei, zu tun und zu lassen, was uns gefällt.“ Raphael schloss kurz die Augen, denn er wusste, nach was es roch: Ein Ansturm von Verwünschungen und anderen unschönen Worten bahnte sich einen Weg durch die Telefonleitung.
Morgenstern starrte einen Augenblick lang ausdruckslos auf die Straße.
Kurz danach verzog Raphael das Gesicht, seine Stirn bekam viele kleine Furchen, bei beiden Kommissaren lag ein Hauch der Machtlosigkeit auf ihren blassen, übermüdeten Gesichtern.
Morgenstern wartete kurz ab, als die Pause lang genug war, informierte er sich über den Grund des Anrufes.
„Oh, Morgenstern, Sie verdammter Hund, wenn ich Sie in die Finger bekomme, dann werde ich Ihnen Ihren alten Arsch versohlen, und Glück wird bei mir im Büro den Boden schrubben, bis die Dielen wieder blank sind!“ Wie immer überschätzte sich Seehoffer bei seiner Satzlänge, verschluckte sich und begann zu husten, ohne mit dem Reden aufzuhören. „Ihr fahrt sofort zu mir, und wir werden Klartext reden ... ich ... verdammt ... möchte“, wieder wurde er von einer Hustenattacke unterbrochen, „… ich ... möchte Tacheles mit euch beiden ... in fünf ... verdammte Scheiße, Martina, nun sitzen Sie nicht einfach so blöd da, geben Sie mir ... Schluck Wasser ver...dammt …“ Wieder hustete der aufgebrachte Mann. „In fünf Minuten bei mir“, waren die letzten Worte, dann wurde aufgelegt.
„Wir wurden gar nicht verdächtigt. Raphael? Michael hat uns angelogen?“
Aufkeimende Sorgen nistete sich in ihrem Inneren ein. Aller Logik zum Trotz wollte sie nicht daran glauben. Nicht er, nicht Michael.
Mit einem Achselzucken tat Morgenstern ihre Frage beiseite. Aus seiner Mimik wurde Lisa auch nicht schlau, Raphaels Gesicht glich einer Maske, es war ohne jegliche Regung und völlig ausdruckslos.
Sie konnte sich kein Urteil darüber bilden, wie labil ihr Kollege momentan war. Düstere Prognosen schwärzten das blaue Firmament ihrer Hoffnung an das Gute im Menschen. Auch der Himmel verlor langsam das schöne Blau, der helle Vorhang wurde vom tristen Grau befleckt.
„Warte, Michael klang am Telefon zwar gehetzt und durcheinandergebracht, dennoch gab es eine kleine Nuance in seiner Stimme, die mir verriet, dass es vielleicht gar nicht Michael war.“ Ihr rannen Trennen der Hilflosigkeit und Enttäuschung über ihre geröteten Wangen.
„Lisa, ich wurde schon so oft enttäuscht, warum nicht auch heute? Auch Freunde können einen verraten.“
Mit einem durchdringenden Blick, Raphael konnte darin einen Hauch von Drohung erahnen, taxierte sie ihren Partner.
„Weil er dein bester Freund ist, verdammt, und du bist seines Sohnes Patenonkel. Das ist heilig.“
Raphael seufzte resigniert.
Lisa war jetzt wütend und verletzt zugleich.
Morgenstern versuchte, seine versteiften Glieder zu lockern, indem er seinen Kopf in den Nacken legte und mit den Schultern eine kreisende Bewegung vollführte, unbewusst tat es ihm seine Kollegin nach.
Er schubste leicht mit seiner Schulter gegen die ihre. „Schmoll nicht rum, junges Fräulein, noch habe ich deinen Michael nicht aufgegeben“, sagte Raphael grinsend, bewusst genau diese Wortwahl benutzend. Sie errötete und kniff ihn in den Oberarm.
Raphael schrie auf, da Lisa dabei genau seinen blauesten Fleck erwischte. „Entschuldigung angenommen“, sagte er, noch bevor sie ihren Mund aufmachen konnte. Den Rest des Weges fuhren sie, jeder in seine Gedanken vertieft, wenn sie nur wüssten, dass ihre Kümmernis derselben Person gewidmet war, zwar jeder auf seine individuelle Art, dennoch dachten die beiden an den gleichen Mann, nämlich an Michael.
*****
„Verdammt, ich blute“, stellte der Pickupfahrer erschrocken und verwundert fest. „Ich muss mich beherrschen“, raunte er sich selbst zu und atmete dabei tief ein und aus.
Er manövrierte seinen Dodge durch die verstopften Verkehrsadern der großen Stadt. „Sei jetzt still“, flüsterte er, sodass sein Geifer wie bei einem
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