LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
tollwütigen Hund aus seinem blutverkrusteten Mund gegen die Scheibe flog. „Du bist nicht ich. Nur ich walte über meinen Körper.“ Er sprach wieder in einem matten erschöpften Ton, zugleich klang seine Stimme leicht gehetzt. Gefühlsschwankungen waren für ihn nichts Neues, wie auch jetzt, er heulte und schlug sich mit seiner verletzten Faust gegen die Schläfe. „Ich bin des Messias‘ rechte Hand, ich werde die Menschheit retten, auch wenn ich nur die zweite Geige spiele, auch wenn ich alle verrate und ihnen Schmerz zufüge. Gottes Wege sind unergründlich! Ich bin nicht der liebe Gott auf Erden, und steige auch nicht am dritten Tag gen Himmel, werde mich eher nach unten begeben und meinem nichtsnutzigen Vater Gesellschaft leisten müssen .... Ich tu's nur meiner Tochter wegen.“ Dabei verschluckte er sich an seinem eigenen Mundsekret aus Speichel und Blut.
*****
Andreas betrachtete die Fotos eingehend, die er aus dem Umschlag herausgenommen hatte. Er studierte jede einzelne Aufnahme. Es waren nicht wirklich viele. 'Für eine Collage wird's bei Weitem nicht reichen', schoss ihm als absurder Gedanke durch den Kopf, 'muss wohl an der Hitze liegen', beendete er den stupiden Gedankensatz.
Auf den Fotos sah er Raphael, als der Kommissar noch viel jünger war, auf einem der Bilder war Morgenstern auf irgendeiner Feier mit einem Mann abgebildet, dessen Gesicht war aber bis zur Unkenntlichkeit mit einem scharfen Gegenstand ausgekratzt worden. Dann gab es ein Foto, auf dem war eine hübsche Frau an seiner Seite, die ungefähr sein Jahrgang war. Auch ihr Gesicht wurde verunstaltet, indem der Fremde ihr darauf einen etwas unbeholfen gewordenen Totenkopf gemalt hatte . 'Malen war wohl nicht seine Stärke' , dachte Andreas und schaute weiter. Nun sah er Raphael mit einem jungen Mann, der bestimmt sein Sohn war. Die Gesichtszüge waren unverkennbar, so als stünde der Kommissar mit seinem jüngeren Ich an seiner Seite da. Sein Antlitz war unberührt, bis auf einen schwarzen Punkt direkt zwischen seinen Augenbrauen, die genauso wild gewachsen waren wie bei seinem Vater.
Dann gab es noch einen letzten Abzug von dem Inspektor und seiner Partnerin, die Aufnahme war nicht so scharf wie die ersten, und die Personen sahen nicht so gestellt aus wie auf den vorherigen. Allem Anschein nach wussten die beiden nicht einmal, dass sie in dem Augenblick fotografiert wurden. Das letzte Foto war unberührt. Andreas drehte das qualitativ hochwertige Fotopapier um. 'FÜR DAS TITELBLATT', stand dort in großen Lettern geschrieben. Auf den anderen Fotos gab es keine Anweisungen oder Informationen, deren Rückseiten waren blank. Langsam stand Andi auf, sich umschauend, ob er nicht von fremden Augen beobachtet wurde. Die Abgeschiedenheit des friedlichen Ortes gefiel ihm, es tat gut, einmal alles um sich herum vergessen zu dürfen und einfach nichts tun. Zum Glück fand er hier in der Nähe einen kleinen Bach, in dem das Wasser müde vor sich her strömte und wegen der Hitze immer weniger wurde . 'Ist genau in diesem Graben das Auto der zwei Fremden stecken geblieben?' Sein Herz blieb stehen, als ihm bewusst wurde, dass die zwei Polizisten, die er und der Verrückte im Wald gelassen hatten, vielleicht umgebracht worden waren? Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Der Bach hatte zu wenig Wasser, um sich darin zu ertränken, doch es reichte vollkommen aus, den Uringestank aus seiner Hose herauszuwaschen und die meisten Körperpartien mit dem nassen Unterhemd abzuwaschen. Daraus zu trinken traute sich der feiste Mann aber nicht. 'Man kriegt Bandwürmer, wenn man aus dem Fluss das schmutzige Wasser trinken tut', mahnte ihn immer seine Mama.
Andreas musste gehen, die Hitze wurde unerträglich.
Seine Klamotten waren auch schon trocken.
All seine Sachen waren heiß von den sengenden Sonnenstrahlen geworden, sodass sein Körper wieder fleißig zu schwitzen begann.
Seine Kehle war auch staubtrocken, und es kratzte unangenehm im Hals.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass er nicht wusste, wie er das Ganze angehen sollte. Sollte er sich stellen oder einfach so kaltschnäuzig handeln wie die meisten seiner Kollegen es tun würden und den Artikel von dem Gekreuzigten herausbringen? Andreas entschied sich für die zweite Variante, wenn alles aus den Fugen geraten sollte, könnte er ja beim dritten Selbstmordversuch sich mehr Mühe geben und alles richtig machen. Dann wäre endlich alles vorbei.
Gedankenverloren
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