Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
Pavillons am anderen Ende des Pools standen. Seit Jacks Ankunft brannte sie darauf, sich mit ihr in ein langes, ausführliches Von-Frau-zu-Frau-Gespräch zu vertiefen. Baby war zwar ihre Schwester und sie liebte sie, aber aus irgendeinem Grund wollte sie nicht mit ihr über die Sache mit Rhys sprechen. Außerdem würde sie gern die Meinung einer Außenstehenden hören, was die Verlobung ihrer Mutter anging.
»Perfekt!« Jack legte sich auf den mit Segeltuchstoff bespannten Holzliegestuhl und seufzte. »Gott, ist das gut! Viel besser als New York. Es war entsetzlich langweilig ohne dich! Und meine Halbschwestern sind verdammte kleine Monster. Erinnere mich bei Gelegenheit bitte daran, dass ich auf keinen Fall jemals Kinder will.« Sie schauderte und schob sich ihre D&G-Sonnenbrille in die kastanienbraunen Haare.
»Erzähl das nicht mir, sondern J.P.!«, kicherte Avery, holte eine Flasche Bliss-Sonnenmilch aus ihrer wassermelonepinken Strandtasche von See by Chloé und fing an, sich die Arme einzucremen.
»Lass uns bitte von was anderem reden.« Jack verdrehte die Augen. »Kann ich deine Sonnenmilch mitbenutzen?«, fragte sie und streckte ihre schlanke manikürte Hand danach aus.
Avery warf Jack einen neugierigen Blick zu. Obwohl sie in den letzten Monaten Freundinnen geworden waren, hatte Jack ihr eigentlich noch nie etwas Persönliches anvertraut. Sie hatten sich über Musterverkäufe unterhalten, über Mitschülerinnen und ihr absolut inakzeptables Benehmen gelästert und gemeinsam erörtert, auf welche Partys sie gehen und was sie dabei anziehen würden. Aber wenn sie so darüber nachdachte, wusste sie noch nicht mal, welches Jacks Lieblingsfarbe war, ob sie früher mit einem Stofftier geschlafen oder eine Zahnspange getragen hatte oder irgendetwas anderes von diesen ganz normalen Dingen, die man eigentlich über seine beste Freundin wusste. Es schien, als wäre Jack schon als selbstbewusste und souveräne Schönheit auf die Welt gekommen. Oder wollte zumindest jeden glauben machen, dass es so wäre. Dabei wusste Avery seit der Zeit, als sie herausgefunden hatte, dass Jack in der winzigen Mansarde ihres ehemaligen Stadthauses wohnte, nachdem ihr Vater ihr und ihrer Mutter den Geldhahn zugedreht hatte, sehr genau, dass auch Jack ihre Unsicherheiten und kleinen Geheimnisse hatte.
Sie überlegte gerade, wie sie es am dezentesten anstellen könnte, Jack über J.P. auszufragen, als sie auf der anderen Seite des Pools ein kleines Grüppchen bemerkte. Es waren ein blonder und ein braunhaariger Typ, die neben zwei nur sehr spärlich bekleideten Mädchen an der Wasserbar saßen, Cocktails tranken und herumalberten. Der eine Typ war Owen.
Und der andere Rhys .
Da Rhys mit dem Rücken zu ihr saß, konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Was sie allerdings sehen konnte, war, dass eines der Mädchen besitzergreifend einen Arm um seinen Hals geschlungen hatte. Sie waren mindestens vierzig Meter von ihr entfernt, aber Avery glaubte sogar, sie lachen zu hören. Vor ihnen auf der Theke standen mehrere leere Gläser – um elf Uhr vormittags! Saßen sie etwa schon den ganzen Morgen hier und schlürften Cocktails – und flirteten? Hatten sie womöglich so etwas wie ein Vierer-Date ?
»Was ist denn?«, fragte Jack und stützte sich auf die Ellbogen, während Avery ihr Handtuch und die Sonnenmilch wieder in die Tasche packte und dann Richtung Pool zeigte.
»So benimmt sich mein Bruder nur, wenn er gerade heftig flirtet. Ich will ihm nicht den Spaß verderben«, log Avery und blinzelte ihre Tränen weg. »Außerdem ist hier überhaupt nichts los. Lass uns lieber an den Strand runtergehen.«
»Dein Bruder?« Jack folgte Averys Blick und erkannte Owens blonden Haarschopf und seine strahlend weißen Zähne, als er den Kopf in den Nacken warf und über irgendetwas lachte, das Rhys Sterling gerade gesagt hatte – oder eines dieser billig aussehenden Mädchen, mit denen sie sich unterhielten. Sie sahen ziemlich heiß aus, wenn man auf die stillose und vulgäre Art stand, und eine von ihnen war gerade dabei, sich praktisch an Owens gebräuntem Oberkörper zu reiben. Jack wurde plötzlich übel und das lag nicht an den Nachwirkungen ihres frühen Flugs.
Sie schnappte sich ihre Sachen und folgte Avery zum Strand hinunter, froh darüber, dem widerlichen Treiben nicht länger zusehen zu müssen. Sie kam sich auf einmal unendlich dumm vor und ärgerte sich über sich selbst. Was hatte sie denn gedacht? Dass sie auf den Bahamas ankommen
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