Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
unwillkürlich.
»Wie gesagt, es ist einfach so passiert. Aber für mich hat es was bedeutet. Und vorhin hab ich ihn dann mit Layla erwischt«, sagte sie so leise, dass sie kaum zu verstehen war.
Jack beugte sich zu Baby hinüber und hielt ihren Blick fest. »Du wirst es vielleicht nicht gern hören, aber es ist ziemlich absurd, dir deswegen die Augen aus dem Kopf zu heulen. Es ist völlig normal , dass du die beiden zusammen im Bett erwischt hast. Sie sind ein Paar . Wenn hier also jemand das Recht hat, sich betrogen zu fühlen, dann Layla, und ehrlich gesagt, tut sie mir viel mehr leid als du.«
»Danke«, sagte Baby sarkastisch. »Jetzt fühl ich mich gleich schon viel besser.«
»Sorry, aber wenn du bemitleidet werden willst, bist du bei mir an der falschen Adresse«, entgegnete Jack trocken. »Du musst es ihr erzählen, Baby. Das bist du ihr schuldig. Und dir selbst im Übrigen auch.« Sie leerte das Champagnerglas, das sie sich aus dem Restaurant mitgenommen hatte. Eigentlich hätte sie Baby gern noch eine strengere Standpauke gehalten, aber sie konnte es nicht. Obwohl Baby für ihre Situation selbst verantwortlich war, konnte sie nachvollziehen, wie mies sie sich fühlte. Außerdem war sie Owens Schwester und sie wollte es sich mit ihr nicht komplett verderben. »Du musst es ihr ja nicht gleich heute Nacht erzählen«, fügte sie noch hinzu, und dieses Mal klang ihre Stimme sanfter.
Baby nickte. Jack hatte vollkommen recht, auch wenn sie es nicht fassen konnte, dass der Rat ausgerechnet von ihr kam. Sie musste Layla die Wahrheit sagen. Plötzlich spürte sie, wie sich in ihrem Magen der Champagner mit den kaviarummantelten Kartoffeln vermischte. »Mir ist gar nicht gut«, stöhnte sie und presste sich die Hand auf den Mund. Wer immer sich diese kulinarischen Perversionen ausgedacht hatte, war ein sadomasochistischer Vollidiot. Jäh sprang sie auf und stürmte nach drinnen.
Na toll. Kotzende Menschen waren so ziemlich das Ekligste, was Jack sich vorstellen konnte. Es war schon schlimm genug gewesen, als die Zwillinge sich neulich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hatten … Andererseits konnte sie Baby in ihrem desolaten Zustand nicht sich selbst überlassen.
Seufzend stand sie auf und folgte ihr ins Badezimmer, wo sie zitternd und noch zerzauster als vorher über der Kloschüssel kauerte.
»Hey.« Jack raffte den Rock ihres schwarzen Vena-Cava-Kleids, kniete sich neben sie und strich ihr behutsam über den Rücken, bis sie fertig war.
»Tut mir echt leid«, stöhnte Baby und lehnte sich erschöpft an die geflieste Wand neben der Toilette. »Und danke. Das war total lieb von dir.«
»Schon okay.« Jack stand auf, machte einen Waschlappen nass und reichte ihn Baby. »Geht’s ein bisschen besser?«
Baby nickte und musste plötzlich grinsen. »Wer hätte gedacht, dass du so nett sein kannst?«
Jack grinste zurück. »Bild dir bloß nichts drauf ein. Dafür hab ich was gut bei dir.«
Baby musste lachen und bekam einen Schluckauf, was wiederum Jack zum Lachen brachte. Vielleicht war Baby Carlyle doch keine miese Hippie-Schlampe, die anderen Mädchen den Freund ausspannte. Oder sie war es, versuchte aber, sich zu ändern. Jedenfalls war sie froh, dass das Eis zwischen ihnen endlich gebrochen war. »Na komm«, sagte Jack mild. »Bringen wir dich ins Bett.«
Zwanzig Minuten später – nachdem sie Baby drei Gläser Wasser eingeflößt, ihr die Havaiana-Flipflops ausgezogen und sie ins Bett verfrachtet hatte – saß sie auf der Terrasse, rauchte eine Zigarette, blickte zu den Sternen auf und lauschte dem Meeresrauschen. Obwohl die Insel nur wenige Flugstunden von New York entfernt war, fühlte sich ihr altes Leben an, als wäre es Tausende von Meilen weit weg.
Der Schock über Averys Ausbruch beim Abendessen wirkte immer noch nach – auch wenn er absolut angebracht gewesen war. Denn Avery hatte recht gehabt. Sie hatte so ziemlich jeden angelogen, was den wahren Grund betraf, weswegen sie hierhergekommen war: J.P., Avery – vor allem aber sich selbst. Sie brauchte keinen Tapetenwechsel oder eine Auszeit von ihrem stressigen neuen Familienleben. Nein, in letzter Zeit war einiges schiefgelaufen, und sie musste dringend herausfinden, was sie wirklich im Leben wollte.
Eine Sache hatte sie bereits herausgefunden: Sie wollte Owen. Auch wenn sie wusste, dass er in ziemlich unerreichbare Ferne gerückt war. Sie hatte zwar seine Reaktion nicht mitbekommen, als Avery ihr vorgeworfen hatte, eine
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