Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
hinterhältige Lügnerin zu sein, aber es würde ihm mit Sicherheit zu denken gegeben haben.
Allerdings hatte sie mittlerweile begriffen, dass es keinen Sinn hatte, mit jemandem zusammenzubleiben, den sie nicht wollte, nur weil sie denjenigen, den sie wollte, nicht haben konnte. Sie hatte Baby vorhin den Rat gegeben, den Tatsachen ins Auge zu blicken und mit der Wahrheit herauszurücken, und das Gleiche musste sie selbst jetzt auch tun.
Sie holte ihr Handy aus der Tasche. Vier verpasste Anrufe. Alle von J.P. Gar nicht zu reden von den acht SMS.
Vermisse dich schrecklich, meine Schöne.
Bin in Gedanken bei dir.
Du bist mein Ein und Alles – komm ganz schnell zu mir zurück!
Unter anderen Umständen hätte Jack es genossen, so viel Aufmerksamkeit von ihrem Freund zu bekommen, aber jetzt schnürte es ihr die Luft ab. Sie wusste, was sie zu tun hatte.
Sie drückte die Eins – die Kurzwahltaste für J.P.s Nummer – und lauschte mit angehaltenem Atem dem Tuten, bis schließlich die Mailbox ansprang. Dann holte sie tief Luft und sagte: »Wenn ich wieder in New York bin, müssen wir dringend reden.« Sie unterdrückte ein Schluchzen, als ihr plötzlich klar wurde, dass es vorbei war, dass es kein Zurück gab, dass das – nicht es – vielleicht der lebensverändernde Moment war, auf den sie sich schon so lange vorbereitete. »Das mit uns … das funktioniert nicht mehr.«
die natur des menschen
Die Füße im kühlen weißen Sand vergraben, saß Avery am Strand, starrte aufs Meer hinaus und wünschte sich, sie würde weinen können. Normalerweise brauchte es nicht viel, um sie in Tränen ausbrechen zu lassen: ein paar süße Welpen in einer Hundefutter-Werbung, eine Zwei im Chemie-Test. Aber es gelang ihr immer, die Tränen so lange zurückzuhalten, bis sie allein war, und sie war extrem stolz darauf, dass sie nie, niemals , vor anderen weinte. Tja, und jetzt war sie allein und sehnte sich verzweifelt danach, einfach alles rauszulassen, brachte jedoch keine einzige Träne zustande. Und das obwohl ihr Herz bleischwer war.
»Ave?«, hörte sie die Stimme ihres Bruders über das Meeresrauschen hinweg. Es klang, als käme sie aus Richtung der Bungalows.
»Hier«, rief sie widerstrebend. Sie hatte absolut keinen Bedarf an Gesellschaft, wollte aber auch nicht, dass Owen sich Sorgen machte. Am Ende dachte er noch, sie wäre ertrunken oder so was.
»Ich hab dich schon überall gesucht.« Er kam auf sie zu, seine im Mondlicht fast silbern schimmernden Haare fielen ihm in die Augen. »Darf ich mich zu dir setzen?«
»Wenn du willst.« Avery zuckte mit den Achseln. Ihr fehlte die Energie, ihn wegzuschicken.
Owen setzte sich neben sie und malte mit dem Finger kleine Kreise in den Sand. Keiner von ihnen sagte etwas. Avery hätte ihm gern ihr Herz ausgeschüttet, aber seit sie aus Nantucket weggezogen waren, hatte sich viel verändert. Obwohl sie erst seit drei Monaten in New York lebten, kam es ihr so vor, als wären sie völlig andere Menschen geworden und wüssten noch nicht so recht, wie sie unter den neuen Bedingungen miteinander umgehen sollten.
»Warum hast mir nicht erzählt, dass du dich in Rhys verliebt hast?«, fragte Owen.
»Das hätte ich schon noch«, antwortete Avery. »Aber jetzt ist sowieso alles egal, weil er mich nämlich nur ins Bett kriegen wollte.« Die letzten Worte spuckte sie förmlich aus.
»Das stimmt nicht.« Owen schüttelte den Kopf. Als er das mit Rhys und Avery erfahren hatte, war er zuerst stinksauer auf Rhys gewesen, und sein Beschützerinstinkt war mit ihm durchgegangen. Aber als er jetzt nach Avery gesucht hatte, hatte er Zeit zum Nachdenken gehabt, und dabei war ihm einiges klar geworden. Er fand es zwar immer noch bescheuert, dass Rhys ihn angelogen hatte, aber er verstand jetzt, dass er es mehr oder weniger aus Rücksicht auf ihn getan hatte, weil er schon genug daran zu knabbern hatte, dass seine Mutter mit Remington zusammen war. Es würde bestimmt noch eine Weile dauern, bis er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass sein bester Freund mit seiner Schwester zusammen war, aber Rhys war schließlich ein guter Kerl, und er wusste, dass er kein Recht hatte, den beiden im Weg zu stehen.
»Woher willst du das wissen? Anscheinend geht es doch allen immer nur darum«, schluchzte Avery, und endlich begannen die Tränen zu fließen. Sie hatte es so satt, ständig darüber nachdenken zu müssen, wer was mit wem hatte oder von wem wollte … Warum lief nur immer alles auf diese
Weitere Kostenlose Bücher