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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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wenn Sie Österreicher wären, könnten Sie vielleicht Tarock spielen.«
      »Tarock spielen kann ich. Das habe ich als Kind schon gelernt, im Krieg. Ich war eine Zeitlang in einer österreichischen Division.«
      »Großartig! Großartig!« Der Kaiser Franz Joseph klopfe Steiner auf die Schulter. »Da sind Sie ja fast ein Landsmann. Wie ist es denn? Spielen wir eine Partie? Es paßt gerade mit der Zahl.«
      »Natürlich.«
      Sie gingen hinein. Eine Stunde später hatte Steiner sieben Schilling gewonnen. Er spielte nicht nach den Methoden des Falschspielers Fred – er spielte ehrlich. Aber er spielte viel besser als die Zollbeamten, so daß er gewinnen mußte, wenn sein Blatt nur einigermaßen gut war.
      Um elf Uhr aßen sie zusammen zu Abend. Die Zollbeamten erklärten, es sei ihr Frühstück; ihr Dienst gehe bis morgens acht Uhr. Das Frühstück war kräfig und gut. Dann spielten sie weiter.
      Steiner bekam ein sehr gutes Blatt. Der österreichische Zoll spielte mit dem Mute der Verzweiflung gegen ihn. Sie kämpfen, aber sie waren fair. Um drei Uhr duzten sie sich. Und um vier Uhr waren sie völlig familiär; die Bezeichnungen Schweinehund, Mistvieh und Arschloch galten nicht mehr als Beleidigungen, sondern als spontane Ausdrücke des Erstaunens, der Bewunderung und der Zuneigung.
      Um fünf Uhr kam der Zöllner vom Dienst herein. »Kinder, es ist die höchste Zeit, Josef über die Grenze zu bringen.«
      Es entstand ein allgemeines Schweigen. Aller Augen richteten sich auf das Geld, das vor Steiner lag. Schließlich machte der Kaiser Franz Joseph eine Bewegung. »Gewonnen ist gewonnen«, sagte er resigniert. »Er hat uns ausgemistet. Nun zieht er davon wie eine Herbstschwalbe, dieser Galgenstrick!«
      »Ich hatte gute Karten«, erwiderte Steiner. »Verdammt gute Karten.«
      »Das ist es ja gerade«, sagte Kaiser Franz Joseph melancholisch. »Du hast gute Karten gehabt. Morgen hätten wir vielleicht gute Karten. Dann bist du aber nicht mehr da. Darin liegt irgendeine Ungerechtigkeit.«
      »Das stimmt. Aber wo gibt es schon Gerechtigkeit, Brüder?«
      »Die Gerechtigkeit beim Kartenspielen liegt darin, daß der Gewinner Revanche geben muß. Wenn er dann wieder gewinnt, kannst du nichts machen. Aber so …« Kaiser Franz Joseph hob die Hände und hielt sie flach in die Luf. »Es hat was Unbefriedigendes so …«
      »Aber Kinder«, sagte Steiner. »Wenn es das allein ist! Ihr schiebt mich über die Grenze, morgen abend schieben die Schweizer mich zurück – und ich gebe euch Revanche!«
      Kaiser Franz Joseph klappte seine ausgestreckten Hände zusammen. Es schallte nur so durch den Raum. »Das war es!« stöhnte er erlöst. »Wir selbst konnten es dir nicht vorschlagen, verstehst du? Weil wir ja eine Behörde sind. Wir dürfen dich nicht verleiten, die Grenze wieder zu überschreiten. Wenn du von selbst kommst, das ist was andres!«
      »Ich komme«, sagte Steiner. »Ihr könnt euch drauf verlassen.«
      Er meldete sich beim Schweizer Grenzposten und erklärte, nachts wieder nach Österreich zurückzuwollen. Man schickte ihn nicht zur Polizei, sondern behielt ihn da. Es war Sonntag. Gleich neben der Zollwache war ein kleines Wirtshaus. Nachmittags war viel zu tun; aber abends nach acht Uhr wurde es still.
      Ein paar Zollbeamte, die Urlaub hatten, hockten in der Wirts
    stube herum. Sie hatten ihre Kameraden besucht und begannen, nun Jaß zu spielen. Ehe Steiner sich dessen versah, war er dabei.
      Die Schweizer waren wunderbare Spieler. Sie hatten eine eiserne Ruhe und enormes Glück. Um zehn Uhr hatten sie Steiner bereits acht Franken abgenommen; gegen Mitternacht holte er fünf auf. Aber um zwei Uhr nachts, als das Restaurant geschlossen wurde, hatte er dreizehn Franken verloren.
      Die Schweizer traktierten ihn mit ein paar großen Gläsern Kirschwasser. Er konnte sie brauchen; denn die Nacht war sehr frisch, und er mußte den Rhein durchwaten.
      Auf der andern Seite gewahrte er vor dem Himmel eine dunkle Gestalt. Es war der Kaiser Franz Joseph. Der Mond stand hinter seinem Kopf wie ein Heiligenschein.
      Steiner trocknete sich ab. Ihm klapperten die Zähne. Er trank den Rest des Kirschwassers aus, das ihm die Schweizer gegeben hatten, und zog sich an. Dann ging er auf die einsame Gestalt zu.
      »Wo bleibst du nur?« begrüßte ihn Franz Joseph. »Ich warte schon seit eins auf dich. Wir dachten, du könntest dich verirren, deshalb stehe ich

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