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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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hier!«
      Steiner lachte. »Die Schweizer haben mich aufgehalten.«
      »Na, dann komm rasch! Wir haben ja nur noch zweieinhalb Stunden.«
      Die Schlacht begann sofort. Um fünf Uhr war sie noch unentschieden; die Österreicher hatten gerade gute Karten bekommen. Der Kaiser Franz Joseph warf sein Blatt auf den Tisch. »So eine Gemeinheit. Gerade jetzt!«
      Er zog seinen Mantel an und schnallte sein Koppel um. »Komm, Sepp! Es hilf nichts. Dienst ist Dienst! Wir müssen dich abschieben!«
      Steiner und er gingen der Grenze zu. Franz Joseph pafe eine würzige Virginia. »Weißt du«, sagte er nach einer Weile, »ich habe das Gefühl, die Schweizer passen heute nacht besonders scharf auf. Sie warten, daß du wieder ’rüberkommst, glaubst du nicht?«
      »Leicht möglich«, erwiderte Steiner.
      »Es könnte sein, daß es vernünfig wäre, dich erst morgen nacht zu schicken. Dann glauben sie, daß du bei uns durchgekommen bist, und passen nicht mehr so auf.«
      »Das ist klar.«
      Franz Joseph blieb stehen. »Siehst du da hinten? Da hat was geblitzt! Das war eine Taschenlampe. Da, jetzt drüben auch! Hast du gesehen?«
      »Ganz deutlich!« Steiner grinste. Er hatte nichts gesehen. Aber er wußte, was der alte Zollbeamte wollte.
      Franz Joseph kratzte seinen silbernen Bart. Dann blinzelte er Steiner schlau zu. »Du kommst nicht durch, das ist klar, meinst du nicht auch? Wir müssen zurück, Sepp! Es tut mir leid, aber die ganze Grenze ist schwer besetzt. Wir können gar nichts anderes machen, als bis morgen warten. Ich werde eine Meldung machen!«
      »Gut.«
      Sie spielten bis acht Uhr morgens. Steiner verlor siebzehn Schilling, aber er hatte noch zweiundzwanzig im voraus. Franz Joseph schrieb seine Meldung und übergab Steiner dann den ablösenden Zöllnern.
      Die Tageszöllner waren dienstlich und sehr förmlich. Sie sperrten Steiner in die Polizeiwache. Er schlief dort den ganzen Tag. Punkt acht Uhr erschien Kaiser Franz Joseph, um ihn im Triumph zur Zollbude zurückzuholen.
      Es wurde kurz, aber kräfig gegessen – dann begann der Kampf. Alle zwei Stunden wurde einer der Zöllner ausgewechselt gegen den, der dann vom Dienst zurückkam. Steiner blieb bis morgens um fünf Uhr am Tisch sitzen. Um zwölf Uhr fünfzehn verbrannte Kaiser Franz Joseph in der Aufregung die obere Krause seines Bartes. Er hatte gedacht, es wäre eine Zigarette in seinem Mund, und hatte versucht, sie anzuzünden. Es war eine Sinnestäuschung, weil er eine Stunde lang nur Pik und Kreuz bekommen hatte. Er sah schwarz, wo gar nichts war.
      Steiner schlachtete den Zoll ab. Er weidete ihn aus, besonders zwischen drei und fünf Uhr. Franz Joseph holte in seiner Verzweiflung Verstärkung heran. Er telefonierte dem Tarockchampion von Buchs, der mit seinem Motorrad angebraust kam. Es nützte nichts; Steiner nahm auch ihn aus. Zum erstenmal, seit er ihn kannte, war Gott mit dem Bedürfigen; Steiner hatte eine Karte, daß er nur eins bedauerte: nicht mit Millionären zu spielen.
      Um fünf Uhr ging es in die letzten Runden. Dann wurden die Karten eingesammelt. Steiner hatte einhundertsechs Schilling gewonnen.
      Der Champion von Buchs sauste grußlos mit seinem Motorrad ab. Steiner und der Kaiser Franz Joseph gingen zur Grenze. Franz Joseph zeigte ihm einen anderen Weg als zwei Nächte vorher. »Nimm diese Richtung«, sagte er. »Sieh zu, daß du dich morgens versteckst. Nachmittags kannst du dann zum Bahnhof weitergehen. Du hast ja jetzt Geld. Und laß dich nie wieder hier blicken, du Straßenräuber!« fügte er mit Grabesstimme hinzu. »Wir müssen sonst um eine Gehaltserhöhung einkommen.«
      »Gut. Ich gebe euch noch mal irgendwann Revanche.«
      »Nicht im Tarock. Davon haben wir genug. In Schach meinetwegen oder Blindekuh.«
      Steiner passierte die Grenze. Er überlegte, ob er noch zum Schweizer Zoll gehen und Revanche verlangen sollte. Aber er wußte, daß er verlieren würde. Er beschloß, nach Murten zu fahren und nach Kern zu sehen. Es lag am Wege nach Paris und war kein großer Umweg.

    KERN GING LANGSAM auf die Hauptpost zu. Er war müde. Die letzten Nächte hatte er kaum schlafen können. Ruth hätte schon vor drei Tagen da sein müssen. Er hatte die ganze Zeit nichts von ihr gehört. Sie hatte nicht geschrieben. Er hatte immer geglaubt, es hätte irgendeine andere Ursache, und sich tausend Gründe dafür ausgedacht – aber jetzt, auf einmal, glaubte er, daß sie nicht mehr käme.

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