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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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aussuche,, wo ich ins Gefängnis möchte. Meine Angst besteht nur darin, daß ich nicht hineinkomme. Daß ich allzu menschliche Richter finde, die mich einfach zur Grenze abschieben lassen. Dann geht es wieder von vorn an. Und für uns sogenannte Arier ist das noch schwerer als für Juden. Wir haben keine Kultusgemeinden, die uns unterstützen – und keine Glaubensgenossen. Aber sprechen wir nicht von diesen Dingen …«
      Er hob sein Glas. »Wir wollen auf das Schöne trinken in der Welt… das ist unzerstörbar.«
      Sie stießen miteinander an. Die Gläser gaben einen reinen Klang. Kern trank den kühlen Wein. Traubensaf, dachte er. Oppenheim. Er setzte sich zu Vogt und Ruth an den Tisch.
      »Ich dachte schon, ich müßte allein sein«, sagte Vogt. »Und nun sind Sie hier. Wie schön der Abend ist! Dieses klare herbstliche Licht.«
      Sie saßen lange schweigend auf der halb erleuchteten Terrasse. Ein paar späte Nachtschmetterlinge stießen mit ihren schweren Leibern beharrlich gegen das heiße Glas der elektrischen Glühbirne. Vogt lehnte etwas abwesend und sehr friedlich in seinem Stuhl, mit schmalem Gesicht und klaren Augen, und es erschien den beiden andern plötzlich, als nähme da ein Mensch aus einem versunkenen Jahrhundert gelassen und gefaßt Abschied von seinem Leben und der Welt.
      »Heiterkeit«, sagte Vogt nachdenklich, als spräche er zu sich selbst. »Heiterkeit, die gelassene Tochter der Toleranz … sie ist unserer Zeit verlorengegangen. Es gehört zu vieles dazu – Wis sen, Überlegenheit, Bescheidenheit und die ruhige Resignation vor dem Unmöglichen. Das alles ist geflohen vor dem wilden Kasernenidealismus, der heute unduldsam die Welt verbessern will. Weltverbesserer waren immer Weltverschlechterer – und Diktatoren sind nie heiter.«
      »Die, denen sie diktieren, auch nicht«, sagte Kern.
      Vogt nickte und trank langsam einen Schluck des hellen Weines. Dann zeigte er auf den See, der im Licht des halben Mondes silbern glänzte und den die Berge umrahmten wie die Wände einer kostbaren Schale. »Denen kann man nicht diktieren«, sagte er. »Den Schmetterlingen auch nicht und dem Laub der Bäume. Und denen auch nicht …« Er wies auf ein paar zerlesene Bücher. »Hölderlin und Nietzsche. Der eine hat die reinsten Hymnen auf das Leben geschrieben … der andere erträumte die göttlichen Tänze dionysischer Heiterkeit – und beide endeten im Wahnsinn … als wenn die Natur irgendwo eine Grenze gesetzt hätte.«
      »Diktatoren werden nicht wahnsinnig«, sagte Kern.
      »Natürlich nicht.« Vogt stand auf und lächelte. »Aber auch nicht vernünfig.«
      »Wollen Sie wirklich morgen zur Polizei?« fragte Kern.
      »Ja, ich will. Leben Sie wohl und Dank dafür, daß Sie mir helfen wollten. Ich gehe noch eine Stunde zum See hinunter.«
      Er ging langsam die Straße entlang. Sie war leer, und man hörte seine Schritte noch eine Weile, nachdem er nicht mehr zu sehen war.
      Kern sah Ruth an. Sie lächelte ihm zu. »Hast du Angst?« fragte er.
      Sie schüttelte den Kopf.
      »Mit uns ist das anders«, sagte er. »Wir sind jung. Wir kommen durch.«
    ZWEI TAGE SPÄTER tauchte Binder aus Zürich auf; kühl, elegant und sicher.
      »Wie geht’s?« fragte er. »Hat alles geklappt?«
      Kern berichtete sein Erlebnis mit dem Kommerzienrat Oppenheim. Binder hörte aufmerksam zu. Er lachte, als Kern ihm erzählte, er hätte Oppenheim gebeten, sich für ihn zu verwenden. »Das war Ihr Fehler«, sagte er. »Der Mann ist die feigste Kröte, die ich kenne. Aber ich werde einmal eine Strafexpedition gegen ihn unternehmen.«
      Er verschwand und kam abends wieder, einen Zwanzigfrankenschein in der Hand.
      »Alle Achtung«, sagte Kern.
      Binder schüttelte sich. »Es war nicht schön, das können Sie mir glauben. Der nationale Herr Oppenheim, der alles versteht, seiner Millionen wegen. Geld macht verdammt charakterlos, was?«
      »Kein Geld auch.«
      »Stimmt, aber seltener. Ich habe ihn gründlich erschreckt mit wilden Nachrichten aus Deutschland. Er gibt nur aus Angst. Um sich vom Schicksal loszukaufen. Steht das nicht in der Liste?«
      »Nein. Da steht: Gibt, aber nur auf Druck.«
      »Das ist dasselbe. Na, vielleicht treffen wir den Kommerzienrat noch einmal als Kollegen auf der Landstraße wieder. Das würde mich für vieles entschädigen.
      Kern lachte. »Der findet schon ’raus. Aber weshalb sind Sie in Luzern?«
      »Es wurde etwas zu

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