Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
lebendig fühlen, desto mehr perfektionieren wir unsere Rollen, desto größer werden unsere Pappkameraden, die wir vor uns hertragen. Und desto weniger können wir eingesperrt in ihrem Inneren noch von anderen Menschen berührt werden. Wir opfern uns auf für unser Konzept von Beziehung, statt in unmittelbaren Kontakt zu treten.
So absurd es auch klingen mag, aber je weniger uns diese Rollen Erfüllung bringen, desto mehr perfektionieren wir sie. Wir trauen uns immer weniger, uns wirklich zu zeigen. Weil es in unserem Inneren ja scheinbar immer weniger Anerkanntes, Liebens- oder Begehrenswertes gibt, kontrollieren wir uns immer mehr - und werden hinter der Fassade derweil immer verbitterter, wütender, zorniger, enttäuschter. Irgendwann sind wir wie Zeitbomben, die bei der kleinsten Erschütterung explodieren können, doch häufig lenken wir uns mit Aktivitäten und Süchten aber so sehr ab, dass wir die traurig-explosive Ansammlung in unserem Inneren schließlich sogar vor uns selbst verborgen halten.
Um dann überhaupt noch funktionieren zu können, ergänzen wir unsere Rollen nun mit Regeln. Bewusst oder un-bewusst kompensieren wir all unsere Schuldgefühle, Versagens- und Trennungsängste. Wir benehmen uns besonders anständig und opfern uns auf. Wir erheben dies sogar zu Regeln, wie man zu sein hat. All die immer neuen Regeln haben aber nur einen Zweck: Sie sollen uns vor neuem Schmerz schützen und andere daran hindern, unser Leben erneut aus der Kontrolle zu bringen. Tatsächlich aber sorgen genau die Rollen und Regeln, die uns eigentlich retten sollen, für eben die Erstarrung, die unser Leben so unerträglich leer und leb145
los macht. Sie sorgen dafür, dass wir mit niemandem mehr in echten Kontakt treten können.
Es gibt Menschen, die nur noch Sätze mit »man« und einem Konjunktiv bilden: »Man müsste, man sollte, wenn man würde...«
So kam auch Harald zu mir. Er begrüßte mich stets mit einem ausschweifenden Kompliment und einem automatischen Lächeln.
Dann setzte er sich und redete nur noch von »man«. Es war lange Zeit kaum möglich, ihm einen Satz mit »ich« zu entlocken. Genauso scheiterte jeder Versuch, im Gespräch tatsächlich in seine Nähe zu gelangen. Kam ich doch einmal für einen Augenblick in Berührung mit seinem Herzen, lächelte Harald schneidend und begann zu beschreiben, wie etwas zu sein hatte. Schließlich hatte seine Frau ihn verlassen und sich von ihm mit geradezu erschreckender Härte und Verbitterung distanziert. Sie weigerte sich, auch nur ein einziges gemeinsames Gespräch mit ihm zu führen. Als ich sie kennen lernte, wirkte sie wie jemand, dem man die Seele mit Glasscherben zerritzt hatte.
Wir funktionieren zwar vorbildlich, aber wir geben nichts von uns selbst und vermeiden jeden Kontakt mit unserem Inneren, weil wir dort mittlerweile vor allem Wut, Zorn, Hilflosigkeit, Schmerz und Schuld spüren. Unter dieser explosiven Mixtur ruht unser tiefster liebenswerter Kern. Zu seinem nährenden Fluss haben wir keinen Kontakt mehr -und dementsprechend ist unser Kontakt zu unserer Außenwelt häufig funktional erkaltet oder mechanisiert vorbildlich, aber letztendlich ausgedörrt und kraftlos. Wir stecken in einem Teufelskreis, der - mal wieder - aufgrund von Mustern in unserer Kindheit entstanden ist. Und natürlich geht
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es auch hier wieder darum, bei uns selbst und unserer eigentlichen Wahrheit anzukommen - die Eiszeit zu nutzen, um all die Ansammlungen von alten Schmerzen zu schmelzen, statt sie ständig aufs Neue mit gutem, aber totem Verhalten zu kompensieren. Gerade diese Phase von Erstarrung und Leere scheint wie das Ende der Beziehung, doch in ihr verbergen sich die tiefsten Möglichkeiten zur Heilung, wie der zweite Teil dieses Buches zeigen wird.
Du machst mich krank
Wenn uns selbst die Erstarrung und die bleierne Schwere noch nicht in die Bewusstwerdung und Heilung oder in die Trennung geführt haben sollten, wenn wir auch hier noch weiter unsere Maske aufbehalten, dann kann uns dieser Weg bis in Krankheit und Tod führen. Wenn all unser Verschmelzen, all unsere aufopfernde Freundlichkeit, all unsere Regeln und Rollen, all unsere
Macht-
und
Glaubenskämpfe
uns
nicht
die
Aufmerksamkeit und Zuwendung gebracht haben, nach denen sich unser Herz so sehr sehnt, dann bleibt uns auf unbewusster Ebene nur noch eins: Wir müssen krank werden.
Krank werden müssen, das geht manch einem sicher zu weit.
Was kann jemand dafür, wenn er krank wird? Über
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