Liebe Hoch 5
etwas Klassisches. Das, was du dir zusammengestellt hast, ist einfach nur trostlos und langweilig.«
»Das ziehe ich nicht an.« Energisch schüttelte ich den Kopf. »Nils’ Eltern werden denken, ich hätte einem Collegestudenten die Klamotten geklaut. Oder einem Matrosen«, fügte ich nach einem weiteren Blick auf die marineblau-gestreifte Kreation hinzu.
Lilly konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Es ist bellybutton. Die Umstandsmodemarke der Stars.«
»Es ist total hässlich. Außerdem sind mir die Kleider zu eng. Das sehe ich sofort.«
»Garantiert nicht.« Fee schob mich energisch in Richtung Bad. »Pass nur auf, dass du dich beim Essen nicht bekleckerst, falls du die Sachen nicht behalten willst. Du hast 14 Tage Rückgaberecht.«
»Die Kleider sind also noch nicht einmal ein Geschenk?«
»Helga«, sagte Fee geduldig. »Wer von uns ist mit dem reichen Schauspieler zusammen? Du oder ich?«
»Es tut mir so leid, dass wir zu spät kommen.« Meine Eltern hatten kaum vor dem Münchner Nobelrestaurant geparkt, als Milla in ihrem kurzen Abendkleid hektisch auf mich zugestöckelt kam. »Der Karl-Heinz treibt mich zur Weißglut. Kein einziges sauberes Kleidungsstück hat er mehr im Schrank, seitdem er sich in seiner kreativen Phase befindet. Alles mit Farbe verschmiert.«
Ich musterte den Stein des Anstoßes in seinem schwarzen Anzug prüfend. Seit seinem Ruhestand probierte er sich in wöchentlich wechselnden Hobbys aus. »Aber irgendetwas muss er verschont haben. Nackt ist er schließlich nicht.«
»Wir waren gerade noch in der Stadt und haben ihm noch etwas gekauft. Und dann war der gnädige Herr sich auch noch zu fein, nach dem Weg zu fragen.«
»Ich hatte mir die Route auf Googlemaps angeschaut«, protestierte mein Vater.
»Geholfen hat dir das nicht«, keifte Milla. »Wenn ich nicht an einer Kreuzung einfach ausgestiegen wäre und nachgefragt hätte, würden wir immer noch hier herumirren.«
»Im Volvo wäre ein Navi gewesen. Aber du wolltest ja unbedingt mit dem Sportwagen fahren.«
»Der Volvo war total schmutzig. Da hätten wir ja toll ausgesehen zwischen all den feinen Autos.« Milla ließ ihren Blick über den Parkplatz gleiten.
Mein Vater zog die Augenbrauen zusammen und öffnete den Mund, um ebenfalls etwas zu erwidern, doch Nils machte mit seinen Händen das Time-out-Zeichen. »Lasst uns reingehen. Meine Eltern warten schon.«
Er legte den Arm um meinen Vater und schob ihn in Richtung Restaurant. Ich blieb mit meiner Mutter zurück.
»Schau doch mal, wie ich aussehe«, jammerte sie. »Als ich mich aus dem Auto gestürzt habe, bin ich mit der Strumpfhose hängen geblieben und habe eine Laufmasche.« Sie drehte sich um und zeigte auf ihre linke Wade.
»Du sitzt doch sowieso die ganze Zeit am Tisch. Es wird keinem auffallen«, versuchte ich Milla zu beruhigen. »Und auf dem Weg dorthin werde ich dich mit meinem Bauch abschirmen.«
»Aber meine Haare. Sie sind jetzt ganz zerzaust. Hast du einen Kamm bei dir?«
»Hatte ich das schon jemals?«, entgegnete ich genervt. Jemanden, der noch aufgeregter war als ich, konnte ich in dieser Situation wirklich nicht gebrauchen.
»Wenigstens sitzt mein Kleid gut. Ist es nicht schick? Ich habe es mir gestern extra noch bei C&A gekauft.«
»Es sieht toll an dir aus.« Das tat es wirklich.
Meine Mutter entspannte sich sichtlich. Zum Glück! Denn ich musste dringend noch etwas loswerden.
»Milla, kannst du mir einen Gefallen tun?« Seit ihrem fünfzigsten Geburtstag bestand meine Mutter darauf, dass meine Schwestern und ich sie beim Vornamen ansprachen.
»Welchen denn?« Ihre Augen rundeten sich.
»Dieses Treffen bedeutet mir sehr viel und ich möchte, dass Nils’ Eltern einen möglichst guten Eindruck von uns allen haben. Bitte erzähl ihnen keine Anekdoten von mir als Kind oder Teenager. Du weißt, was ich meine. Sie müssen nicht unbedingt wissen, dass ich als Kind jahrelang einen Sprachfehler hatte oder dass ich, bis ich sechzehn war, nur schlafen konnte, wenn ich den Stummelschwanz meines Teddybären in der Hand hielt.«
»Aber das ist doch lustig.«
Ich seufzte. »Ich wusste, dass du das sagst. Und genau deswegen bitte ich dich darum, solche Sachen nicht zu erwähnen. Außerdem …«, ich räusperte mich, »wäre ich dir wirklich dankbar, wenn du versuchst, Themen zu vermeiden, die irgendetwas mit Politik oder Geographie zu tun haben. Und dass du als Energietherapeutin arbeitest und mit Engeln sprichst, müssen Nils’ Eltern auch
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