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Liebe Hoch 5

Liebe Hoch 5

Titel: Liebe Hoch 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu , Katrin Koppold , Ivonne Keller , Katelyn Faith , Nikola Hotel
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widerstehen? Und so dreht sich die junge Frau zu mir und sieht mich an. Alles in ihrem Blick verrät, was sie wirklich über mich denkt. Ein Kerl, der im Weihnachtsmannkostüm einen Mitsubishi-Bus einräumt und bemüht lässig an seinem Surfbrett lehnt. Zu viele Details untergraben die Authentizität meines Auftritts.
    »Lieber Weihnachtsmann … könntest du … das ist doch bescheuert!«
    Oha. Sie scheint wirklich keinen besonders guten Tag zu haben. Lange braune Haare, braune Augen und ein zierliches Gesicht, das etwas übermüdet aussieht. Die Kleine zupft an ihrem Ärmel, will sie offenbar motivieren. Diese Situation ist etwas schräg – um es untertrieben auszudrücken. Eigentlich könnte es mir auch egal sein, was diese Frau für ein Problem hat, und wieso sie mich so ansieht, wie sie mich ansieht. Aber das kleine Mädchen, Lara, sieht mich aus ihren Knopfaugen an. Dabei scheint sie von mir so etwas wie die allgemeingültige Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Universums zu erwarten.
    »Kannst du machen, dass Papa da ist?«
    Wenn Kinder solche Fragen stellen, dann weiß man sofort: Irgendwas ist da wohl im Familiengeflecht nicht so ganz okay. Mama hat braune Augen, Lara blaue. Ergo: Papa hat blaue Augen und Papa ist nicht da. Autounfall? Krankheit? Tod? Zu viele Daily-Soap-taugliche Schicksalsschläge zischen durch mein Gehirn, vermutlich verliere ich irgendwann an diesem Abend meinen Verstand. Es ist nicht die Frage an sich, es ist die Menge an Hoffnung, die Lara in die Frage steckt. Noch ein Kind, das ich heute enttäuschen werde. Langsam gehe ich vor ihr in die Hocke.
    »Wo ist der Papa denn?«
    »Der ist einfach nicht gekommen.«
    Und dann kullert eine Träne über ihre Wange und ich hasse mein Kostüm. Würde ich es nicht noch immer tragen, wären diese beiden einfach an mir vorbeigegangen. Aber jetzt habe ich eine wütende Mutter und ein weinendes Kind hier. Dabei bin ich gerade vor die Tür gesetzt worden!
    »Dabei hat er es versprochen.«
    Ja. So ist das manchmal. Vatersein ist nicht immer leicht. Er hatte bestimmt seine Gründe, die ein kleines Mädchen nur noch nicht verstehen kann. So ist das doch immer. Aber ein Blick nach oben zu der Mutter, die ebenfalls mit den Tränen kämpft, scheint ein anderes Bild zu zeichnen. Ich stehe wieder auf und sehe sie an.
    »Wo ist er denn?«
    Als ob das etwas ändern würde. Oder mich auch nur im Geringsten etwas angehen würde.
    »Er ist in Stuttgart. Hat den Zug wohl verpasst …«
    Das ist die Version, die der Tochter erzählt werden soll, denn sie verdreht dabei die Augen. Offenbar scheint er nicht der zuverlässigste Vater zu sein. Ich nicke, als würde ich verstehen. Dabei verstehe ich gar nichts. Ich verstehe nicht, wieso Hannah die Notbremse gezogen hat, ich verstehe nicht, wieso ich noch immer dieses Kostüm trage – nach all dem Drama – und ich verstehe nicht, wieso mich die Geschichte dieser Frau interessiert.
    – sie stürzt an mir vorbei ins Innere der Tankstelle,»Das tut mir sehr leid.«
    Es ist ernst gemeint, klingt aber irgendwie wie eine Floskel, die man in so einer Situation eben so sagt.
    »Klar. Komm, Lara, lass uns gehen.«
    »Warte!«
    Spätestens jetzt muss ich wie ein gestörter Triebtäter wirken. Aber wenn das Weihnachtsfest der kleinen Lara schon vermiest wurde, dann hat sie doch zumindest ein Trostpflaster verdient. Irgendwo in meinem Bus liegt noch der Sack mit den Geschenken für die Kinder: billige Stofftiere, die beim letzten Jahrmarkt keinen Abnehmer gefunden haben und Spielzeugautos, bei denen sich mindestens ein Rad nicht mehr bewegen lässt. Ich greife ins Innere und ziehe einen hellblauen Plüschhasen hervor. Ein Hase zu Weihnachten. Naja …
    »Hier, für dich. Ist nicht der Papa, aber ein kleines Geschenk. Frohe Weihnachten!«
    Etwas unsicher sehe ich zwischen Mutter und Tochter hin und her. Das ist eine mehr als alberne Geste. Und der Hase ist vermutlich in einer nicht angemeldeten pakistanischen Fabrik aus gesundheitsschädlichen Stoffen hergestellt worden.
    Nachdem die junge Frau nickt, nimmt Lara den Hasen und schenkt mir ein schüchternes Lächeln. Mehr kann ich leider nicht für die beiden tun. Auch wenn ich es gerne würde.
    »Danke.«
    »Nicht dafür.«
    Während sie die Straße entlang weitergehen, räume ich den nächsten Karton in den Bus und frage mich, was Felix sich wohl zu Weihnachten wünscht. Und ob ich in diesen Wünschen auch nur die geringste Rolle spiele.
     
    »Hey Axel! Lange nicht mehr

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