Liebe Hoch 5
hätte, würden die Schmerzen doch zwischendurch aufhören«, entgegnete ich, obwohl auch ich langsam Zweifel daran bekam, dass das Baby sich an seinen Termin halten würde. Nein! Das durfte nicht sein. Ich hatte weder die Kliniktasche noch das Notizbuch mit der To-do-Liste dabei. Und es war nicht akzeptabel, dass meine akribischen Vorbereitungen für die Katz’ sein sollten. Das Baby musste drin bleiben. Zumindest, bis ich Tasche und Notizbuch von zu Hause abgeholt hatte.
»Es ist eher eine Art Dauerschmerz«, versuchte ich meinen Zustand zu erklären.
»Dann kommen deine Wehen bereits so dicht aufeinander, dass es keine Pausen mehr gibt«, stellte Katharina nüchtern fest. »Es wird höchste Zeit.« Sie winkte einen der Kellner zu sich heran. »Rufen Sie uns ein Sammeltaxi. Meine Schwiegertochter bekommt ihr Baby. Bernd! Bezahl die Rechnung!«
»Ihr müsst nicht mitfahren. Selbst wenn ich Wehen habe, kann es noch ewig dauern, bis das Baby kommt«, protestierte ich.
»Bei Fee und dir ging alles sehr schnell. Dein Vater und ich haben es beide Male kaum ins Krankenhaus geschafft«, widersprach Milla. »Lediglich die Zwillinge ließen auf sich warten.«
»Ihr müsst trotzdem nicht mitkommen. Nils kann mich fahren. Oder?« Ich blickte meinen Freund hilfesuchend an.
Doch der stand mit blassem Gesicht neben mir und kramte mit zittrigen Händen seine Zigaretten aus der Jeans. »Aber wir haben doch noch gar nicht aufgegessen«, stammelte er.
Wunderbar! Von seiner Seite war also keine Hilfe zu erwarten. Und Katharina schob mich mit meinem Mantel unter dem Arm bereits zum Ausgang.
»Gut!«, sagte ich schicksalsergeben. Sollte ich im Taxi niederkommen, waren zumindest eine ganze Menge Helfer zur Stelle.
»Wartet auf mich!«, rief Milla uns hinterher. »Ich nehme den Champagner mit.«
Die Stimmung war fast ein bisschen wie auf einer Party, als ich zwei Stunden später genauso dick wie vorher mit Nils den Aufenthaltsraum der Entbindungsstation betrat. Die Champagnerflasche aus dem Tantris stand leer auf einem niedrigen Tisch und sie hatte Gesellschaft von mehreren Piccoloflaschen bekommen. Unsere Eltern hingen lachend und sichtlich derangiert mit Plastikbechern in der Hand auf einer Sitzgruppe. Doch ihre Ausgelassenheit schlug augenblicklich in gespenstige Stille um, als sie uns bemerkten. Alle Blicke wanderten zu meiner Leibesmitte und ich konnte ein enttäuschtes Ausatmen hören.
»Ich habe euch doch gesagt, dass es blinder Alarm war«, verteidigte ich mich.
»Das Baby kommt doch noch nicht?«, fragte meine Mutter mit schwerer Zunge.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, es waren nur die Mutterbänder. Ich habe ein krampflösendes Mittel bekommen und nun sind die Schmerzen weg.«
»Ach, wie schade«, sagte Katharina. Auch ihre Ausdrucksweise war nicht mehr ganz so deutlich wie vorher. »Wir hatten uns schon Namen für das Baby überlegt. Wenn es ein Junge wird, fände ich Noah sehr schön. Und mit zweitem Namen muss er Ludwig heißen. Das ist in Bernds Familie schon seit Generationen Tradition.«
»Du heißt Nils Ludwig?« Ich schaute meinen Freund an.
Er nickte verlegen und meine Mundwinkel bogen sich nach oben. »Das hast du mir noch gar nicht erzählt.« Doch dann fiel mir ein, dass ich beziehungsweise unser Kind von dieser Tradition direkt betroffen sein könnte, und das Lachen verging mir.
»Vielleicht bekommt ihr ja ein Mädchen«, tröstete mich Milla. Sie seufzte laut. »Ach, wie schade! Ich hatte mich schon so auf das Baby gefreut.«
»Es tut uns wirklich leid, dass ihr völlig umsonst hier im Krankenhaus auf uns gewartet habt.« Nils zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Nicht so schlimm!« Milla füllte die leeren Becher großzügig nach. »Wir haben die Wartezeit gut überbrückt.«
»Und viele Gemeinsamkeiten entdeckt», fügte Katharina hinzu. »Deine Mutter hat jeden meiner Filme gesehen.«
Wahnsinn! Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen. In dem Fall verband mich mit dem britischen Musiker Sting vielleicht ebenfalls ein geistiges Band. Schließlich hatte ich alle seine Lieder gehört.
Doch Milla nickte stolz. »Ja, wir verstehen uns super. Und deswegen werden wir Heiligabend alle gemeinsam bei uns zu Hause feiern. Ist das nicht toll?«
Sie prosteten sich zu und kicherten.
Ach nein! Nicht auch noch das!
»Auf die Familie!«, sagte Nils und griff nach einer halbvollen Piccoloflasche.
»Findest du es nicht etwas übertrieben, die Kliniktasche mit zu deinen Eltern zu nehmen?«,
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