Liebe im Gepäck (German Edition)
Flucht?«
Harrys Grinsen wurde breiter: »So in etwa …«
»Wie viele Jahre haben Sie denn aufgebrummt bekommen?« Etwas mulmig war ihr schon zumute. Sollte sie neben einem Kriminellen zehn Stunden auf engstem Raum in der Maschine sitzen? Dort vorne stand ein Polizist mit Gewehr über der Schulter. Vielleicht wäre es besser, diesem unauffällig ein Zeichen zu geben. Nur, wie machte man einem Polizisten unauffällig ein Zeichen, der gelangweilt die Maserung des Marmorbodens studiert?
»Keine Angst, ich habe niemanden umgebracht. Ich bin ein unbescholtener Bürger.« Zum zweiten Mal an diesem Tag hob Harry feierlich die Hand zum Schwur.
Franziska beschloss, ihm zu glauben. Sie lachte befreit auf: »Na ja, Ihr Haarschnitt sieht aber wirklich aus, als käme er direkt vom Gefängnisfriseur.«
Harry strich sich mit der flachen Hand durch seine gestutzte Haarpracht. »Mein Haar hat es Ihnen tatsächlich angetan, nicht wahr? Es sieht schrecklich aus, ich weiß. Vielleicht finde ich in Peking einen Friseur, der meinen Kopf wieder halbwegs ansehnlich macht.«
»Oh, der ist durchaus noch ansehnlich«, rutschte es Franziska heraus, denn ein schöner Mann war er natürlich immer noch. Was konnten schlecht geschnittene Haare gegen rehbraune Augen ausrichten? Gegen einen Kranz dichter Wimpern, gegen schön geschwungene Lippen, die sich jetzt zu einem selbstsicheren Lächeln verzogen?
»Wo werden Sie in Peking wohnen?«, fragte sie, nur um irgendetwas zu sagen.
Harry grinste noch breiter.
Franziska grinste mit. Sein Lachen hatte etwas Ansteckendes. »War wohl eine ziemlich dumme Frage, oder? Sie hatten ja gar nicht vor, nach Peking zu fahren. Obwohl, wenn Sie ein Visum im Pass haben … dann waren Sie vielleicht schon öfter in China? Vielleicht kennen Sie dort ja doch ein Hotel …?«
Harry schüttelte den Kopf. »Nein, keine Ahnung. Der Kerl, für den Sie das Ticket zurückgegeben haben, wo hätte der wohnen sollen?«
»Im Hotel China World.«
»Dann wohne ich jetzt im Hotel China World. Ich werde das Zimmer von diesem Mann übernehmen. Wie heißt er doch gleich?«
»Dr. Sommer.«
»Der von der ›Bravo‹?«
Franziska lachte: »Nein, das glaube ich kaum. Der Dr. Sommer, den ich meine, Dr. Rüdiger Sommer, ist Rechtsanwalt. Und viel zu korrekt und viel zu seriös, um jemandem Tipps in Sachen Sex oder Liebe zu geben.«
»Und welche Tipps hätte er Ihnen dann gegeben, der Herr Rechtsanwalt?«
»Rechtliche.«
»Oh, welch Überraschung.«
»Ihre Tickets bitte und die Pässe«, fordert die sichtlich gestresste Dame hinter dem Check-in-Schalter.
Harry und Franziska schoben ihr das Gewünschte entgegen.
»Sie haben drei Gepäcksstücke?«
Harry half Franziska, die Reisetasche und ihren schweren Koffer auf das Förderband zu heben, bevor er seinen darauf stellte.
»Ausgang B 36. Boarding-Time 19 Uhr 50. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.”
Harry folgte Franziska durch die Passkontrolle. Der Beamte warf einen kurzen Blick auf das Foto und winkte ihn durch. Nicht, dass er gefürchtet hätte, die deutsche Zollkontrolle würde ein Problem sein, und doch atmete er erleichtert auf. Nun noch rasch in den Duty-free-Shop, um die nötigen Kosmetikutensilien zu besorgen.
Als sie sich am Gate wiedertrafen, war Harry sichtlich nervös. Wie lange dauerte denn das noch, bis er endlich das Land verlassen konnte? Was, wenn Anuschka schon einen Suchtrupp nach ihm ausgeschickt hatte? Seine Blicke schweiften nach allen Seiten: War da nicht doch jemand, der ihn erkannte? Griff dort nicht einer zu seinem Handy? Was war, wenn er die Presse informierte? Würde man ihn in Peking aufspüren?
Litt er bereits unter Verfolgungswahn? Vielleicht interessierte es auch keinen Menschen, wo sich HarrySchlamm befand. Er neigte im Allgemeinen nicht dazu, sich zu überschätzen. Doch er hatte langjährige Erfahrung, was Paparazzi betraf. Und mit den Einfällen von Anuschka sowieso.
»Ihre Boarding-Card, bitte.« Die Flugbegleiterin am Eingang der Maschine schreckte ihn aus seinen Gedanken. »Hier entlang nach vorne bitte, 5 C, der Gangplatz.«
Franziska war schon zu 5 A unterwegs.
Er folgte ihr und half ihr, den Aktenkoffer im Gepäckfach zu verstauen: »Seltsam, dass Ihnen vom Personal niemand dabei hilft!« Aufatmend ließ er sich in seinen breiten Sitz fallen. Das war ja alles gut gegangen. Niemand hatte ihn erkannt. Er war schon so gut wie auf dem Weg hinaus aus Deutschland. Nach China. Er musste innerlich lachen: Das war wirklich
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