Liebe im Gepäck (German Edition)
schlagersängermäßig.«
Wollte man Harry von etwas abhalten, brauchte man nur zu sagen, es sei schlagersängermäßig. Dann konnte er es nicht mehr leiden.
»Weg mit dem weißen Anzug.« Harry wischte sich den Mund an der Serviette ab. »Dann also Jeans. Ich hoffe, du kannst mir welche leihen.«
»Oh, oh, oh. Klein Harry traut sich nicht nach Hause.«
»Richtig.« Harry war weit davon entfernt, beleidigt zu sein: »Du hast es erfasst. Ich habe weder Lust, Herwig Rede und Antwort zu stehen, noch sonst irgendjemandem aus meinem Umfeld. Harry Schlamm hat beschlossen zu gehen. Und Harry Schlamm geht.«
»Weiß es Gisi?«
»Nein. Und ich habe auch nicht die geringste Absicht, es ihr zu sagen. Außer uns zweien braucht niemand Bescheid zu wissen. Sagtest du nicht etwas von einem großen Koffer, den du nicht nach Stuttgart mitnehmen wirst?«
Matthias zeigte einen Anflug von einem Lächeln und fügte sich in das Unvermeidbare.
So landete ein zweiter Koffer auf dem französischen Bett des Ehepaares Gerstenberg, und in diesem Koffer landete nahezu sämtliche Freizeitkleidung, die Matthias entbehren konnte. Und zwei Boxershorts.
»Danke, das reicht fürs Erste. Den Rest kaufe ich mir dort, wo ich dann bin. Unterhosen bekomme ich überall.« Auch die Tatsache, dass Matthias weder ein zweites Rasierzeug noch eine Zahnbürste hatte, die er ihm mitgeben konnte, beunruhigte Harry keineswegs: »Das bekomme ich alles am Flughafen. Mach dir keine Gedanken darüber. Was ich brauche, habe ich hier in diesem Koffer. Und ich habe deinen Pass.«
Matthias Bedenken erwachten schlagartig wieder: »Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee ist, Harry! Wenn irgendjemand dahinter kommt, dann bist du geliefert. Und dann bin ich geliefert.«
»Wer soll denn dahinter kommen, bitte? Ich sehe jetzt aus wie du!«
Das konnte Matthias nicht gelten lassen: »Tust du nicht. Ich habe einen Haarschnitt, du hast nur etwas Ähnliches.«
Harry grinste: »Das fällt keinem Zollbeamten auf. Und dem Hotel-Rezeptionisten schon gar nicht. Apropos Hotel – gut, dass ich daran gedacht habe – dort brauche ich deine Kreditkarte. Ich kann mich schwerlich als Matthias Gerstenberg ausweisen und als Harry Schlamm bezahlen.«
»Siehst du, das ist genau das, was ich meine. Es gibt genug Fallen, in die wir tappen können. Meine Kreditkarte brauche ich selbst.«
»Hast du denn keine zweite?«
»Doch.« Matthias schnaufte unwillig und öffnete seine Geldbörse. »Ich habe zwei Kreditkarten. Aber das wird doch auffallen, wenn ich gleichzeitig in Stuttgart mit einer Kreditkarte zahle und in wo auch immer mit der zweiten.«
»Wem soll das auffallen? Es sind doch zwei unterschiedliche Karten von zwei unterschiedlichen Banken.«
»Du hast eine ganz andere Unterschrift als ich.«
»Deine Unterschrift ist keine Unterschrift, das ist ein Gekrakel. Und das Gekrakel kann ich seit ewigen Zeiten.«
»Kannst du nicht, ich heiße jetzt Gerstenberg.«
»Du heißt nicht jetzt Gerstenberg, du heißt seit fünf Jahren Gerstenberg, und das Gekrakel kann ich sehr wohl.« Er nahm ein Blatt Papier und bewies es ihm. »Hast du wirklich nur zwei Kreditkarten?«
»Genau, der Herr, und es sind keine in Platin. Harry, ich bin ein ganz normaler Mensch, kein Star. Die Karte hat einen Kreditrahmen von dreitausend Euro. Damit musst du auszukommen. Kannst du das, Herr Seeberstein? Oder geht dieser Betrag bereits für dein erstes Champagnergelage drauf? – Aua!« Sein Bruder hatte ihn mit dem Ellenbogen unsanft in die Seite gestoßen.
»Harry Schlamm reist als Matthias Gerstenberg durch die Lande, nicht als Seeberstein. Seeberstein bleibt zu Hause im Schrank und ruht, daher gibt es auch kein Champagnergelage. Und ich habe auch nicht vor, irgendwelchen Damen irgendetwas zu spendieren. Ich werde still und zurückgezogen leben. Niemand wird von mir Notiz nehmen. Ich werde komponieren, ich werde texten, ich werde in Stille und Abgeschiedenheit zu neuen Ideen kommen, back to the roots, Bruder.«
»Ah ja.«
Matthias war vom Gegenteil überzeugt. Harry war schon viel zu lange im Mittelpunkt der begeistertenMenge. Harry war es viel zu sehr gewohnt, dass ihm alle Frauen schöne Augen machten. Und dieser Harry sollte nun in Abgeschiedenheit zwei Wochen verbringen? Ohne Bewunderer? Und was hieß schon ›back to the roots‹? Harry hatte schon als Junge nie in Ruhe und stiller Besinnlichkeit gelebt. Es musste immer etwas los sein – wo Harry war, war Action.
»Wann kommt Gitte
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