Liebe im Gepäck (German Edition)
unvermittelt. »Franziska, du hast doch gesagt, hier in Peking steht der Prototyp?«
»Natürlich«, Franziska nickte, »er steht in Kaufmanns Büro. Auch wenn Kaufmann nicht hier ist, erwird ja nichts dagegen haben, dass ich den Koffer abhole.«
Lukas hob abwehrend die Hand: »Nein, nein, ich halte das für keine gute Idee.«
Harry hob eine Augenbraue. »Und warum nicht?« Sein Tonfall klang schneidend.
»Kaufmann ist sehr eigenwillig. Er mag es nicht, wenn fremde Leute sich in seinem Büro herumtreiben, ohne dass er anwesend ist. Ich werde mit ihm telefonieren und sehen, wie wir das am besten arrangieren. So, aber nun zu euch. Ihr müsst ja hundemüde sein. Dennoch ist es besser, wenn ihr die restlichen Stunden des Tages noch wach bleibt, so ist der Jetlag am besten zu überstehen. Was haltet ihr davon, wenn wir heute am frühen Abend gemütlich essen gehen? Steht euch der Sinn nach etwas richtig Chinesischem? Oder wollt ihr lieber westliches Essen? Es gibt auch ein Hardrock-Café hier in Peking, wenn ihr Lust auf Hamburger und Pommes frites habt.«
Sie entschieden sich, im Hotel zu Abend zu essen. Da saßen sie dann an einem reich gedeckten Tisch, ein Klavierspieler bemühte sich, für die passende musikalische Untermalung zu sorgen. Harry sah das Klavier, und sein Herz zog sich vor Sehnsucht zusammen. Was machte er hier? Warum war er da? Was gingen ihn die Sorgen, Gedanken und Pläne dieser fremden Frau an? Warum saß er mit ihr und diesem dämlichen Brad-Pitt-Verschnitt in einem Lokal, achttausend Kilometer weg von zu Hause?Warum saß er nicht am Klavier? Warum glitten seine Finger nicht über die Tasten anstelle der Finger des chinesischen Pianisten, der keine Ahnung von Takt und Tempo hatte?
Und plötzlich war sie da: die erste Melodie für seine neue CD. Er entschuldigte sich, fuhr mit dem Lift hinauf auf sein Zimmer und brachte im Eiltempo die Noten zu Papier. Er war wie ein Verdurstender, dem man endlich einen Krug Wasser gereicht hatte.
Als Harry am nächsten Tag zum Frühstück erschien, nippte Franziska bereits an ihrem Orangensaft. Ihr zur Seite Lukas Bares, der mit Genuss Rührei mit Speck vertilgte und Franziska irgendetwas erzählte. Es war anscheinend etwas Heiteres, denn sie lachte laut auf und winkte Harry gut gelaunt entgegen, als sie ihn suchend im Eingang stehen sah. Sie war allerbester Laune, was nur darauf zurückzuführen sein konnte, dass die beiden auch die Nacht miteinander verbracht hatten, wie Harry messerscharf schloss. Er hatte keine Lust, das fünfte Rad am Wagen eines Liebespaares zu sein. Er hatte schlecht geschlafen. Zuerst hatte er stundenlang keinen Schlaf finden können, dann hatte er so tief geschlafen wie ein Stein. Er hasste es, wie ein Stein zu schlafen, da er beim Aufwachen stets das Gefühl hatte, aus seinen Armen und Beinen wäre jegliche Kraft gewichen. Das fehlte ihm gerade noch, dass er, wo er ging und stand, diesen blonden Lackaffen zu sehen bekam. Und Franziska, die diesem ungeniert sexy Blicke zuwarf.
Harry straffte die Schultern und bemühte sich, einen halbwegs freundlichen Eindruck zu machen. Das Hotelzimmer des Anwalts war für zwei Wochen reserviert. Er würde diese zwei Wochen bleiben. Aber keinen Tag länger. Missmutig ging er zum Buffet, um sich einen Teller voll zu laden. Natürlich hatten die hier kein Schwarzbrot. Nur pappigen Toast und das, was sie »Danish Pastry« nannten. Blätterteiggebäck mit viel klebrigem Zuckerguss. Also aß auch er Rührei mit Speck und hasste es, es Lukas gleichzutun.
Franziska bemerkte Harrys schlechte Laune nicht, oder zumindest tat sie so, als würde sie es nicht bemerken. »Lukas meint, heute wäre der richtige Tag, um zur großen Mauer hinauszufahren«, erzählte sie ihm, als er Platz genommen und seine Serviette auf dem Schoß ausgebreitet hatte. »Was hältst du von der Idee?«
»Nichts«, sagte Harry düster.
»Aber warum nicht, Mat? Du hast doch gestern selbst gesagt …«
Harry hob eine Augenbraue: »Ich weiß, was ich gesagt habe. Doch ich dachte, wir würden uns heute den Koffer ansehen. Ich dachte, heute sei das erste Gespräch mit deinem chinesischen Vertragspartner?«
»Ja, am Nachmittag«, erklärte Franziska, »da können wir doch den Vormittag gut nutzen, nicht wahr? Die Mauer ist hier gleich um die Ecke. Lukas ist der Meinung, dass uns ein bisschen Sightseeing gut täte, um uns besser einzugewöhnen. Und wir sind rechtzeitig zum Nachmittagstermin zurück. Lukas meint …«
»Na ja, wenn
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