Liebe im Gepäck (German Edition)
selben Bett schliefen, hatte ich es mir rasch abgewöhnt, sie anzusehen, bevor sie am Morgen aus dem Badezimmer kam. Sonst wäre sie den ganzen Tag sauer gewesen.«
»Sachen gibt’s.« Franziska lachte.
Harry stimmte in dieses Lachen ein. Es war so schön, sie wieder lachen zu sehen.
Franziska wunderte sich über sich selbst. Sie hatte wunderbar geschlafen in dieser Nacht, obwohl sie doch befürchtet hatte, vor Schmerz und Traurigkeit kein Auge zuzutun. Nicht, dass der Schmerz über Nacht wie weggeblasen war. Er war noch da, aber er war bedeutend geringer geworden. Lag es daran, dass es einen Hoffnungsschimmer gab, ihren Koffer doch noch zu bekommen? Daran, dass sie Lukas und seiner eleganten Frau vertraute? Oder daran, dass Mat bei ihr lag und ihr ein nie gekanntes Gefühl von Geborgenheit gab? Hatte sie wirklich gedacht, Bertrand würde ihr Sicherheit geben? Unglaublich! So sicher wie in Mats Armen hatte sie sich bei ihm nie gefühlt.
Es war der Beginn eines erstaunlich fröhlichen Tages.
Was für einen Sinn hätte es gehabt, im Hotel zu bleiben und auf Lukas Bares’ Rückkehr zu warten? Er hatte alle Unterlagen und er hatte den Musterkoffer. Sie hatten ihm vollkommen vertraut. Jetzt hier zu sitzen und zu überlegen, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt war, hätte sie nicht weiter gebracht.
Also machten sie sich auf, die Stadt zu erkunden. Sie ließen sich mit dem Taxi auf den »Platz des Himmlischen Friedens« fahren, über den ein überlebensgroßes Bild von Mao Tse-tung wachte. Sie gingen Hand inHand durch die »Verbotene Stadt«. Sie bewunderten die Tempel und Kunstschätze, den unermesslichen Reichtum des früheren Kaiserhauses.
Dann hatte Franziska Lust, den Seidenmarkt zu besuchen. Sie bummelten durch die engen Wege zwischen den grauen Blechständen, an denen eine Überfülle an Textilien angeboten wurde. Die meisten Kleidungsstücke trugen bekannte westliche Markennamen. Harry war fassungslos, zu welch niedrigen Preisen hier Jeans seiner Lieblingsmarke und Sonnenbrillen nach dem neuesten Trend angeboten wurden.
»Alles gefälscht«, erklärte Franziska und ließ sich trotzdem nicht abhalten, eine der Hosen näher in Augenschein zu nehmen. »Manches kommt auch aus Überschussproduktionen, wenn man Glück hat, dann ist also wirklich ein Original dabei. Manches hat kleine Fehler. Darum muss man ganz genau aufpassen. Ich habe mir schon einige Stücke hier gekauft. Vor allem T-Shirts und Seidenschals.«
Ein junger Chinese trat näher zu ihnen heran. »Si di, di vi di!«, murmelte er.
Harry sah verwundert von ihm zu Franziska und wieder zurück. »Was will der Mann?«
»Der will dir CDs und DVDs verkaufen. Raubkopien, spottbillig. Manchmal ist die Qualität sehr gut. Wenn du Pech hast, dann bekommst du einen Film, den sie bei einer Kinovorführung abgefilmt haben. Außerdem kann man nie sicher sein, dass das drin ist, was außen drauf steht. Kaufmann hat sich einmal eine CD gekauft, auf der ›Windows 2000‹ stand. Und als er sie im Büro auf dem Computer installieren wollte, war es das Telefonbuch von Toronto.«
»Geschieht ihm recht!« Harry lachte schallend auf.
»Hast du Lust, dir anzusehen, was dieser Mann zu bieten hat?«
Harry hatte. Es war ein strahlender Sommertag. Sie hatten wunderschöne Stunden verbracht, voll Lachen, voll Leichtigkeit. Weit weg von Deutschland. Weit weg von Schlamms Schlacht. Er fühlte sich so wohl und so rundherum glücklich wie schon lange nicht mehr. Natürlich war er da zu jeder Schandtat bereit.
Der Chinese machte ihnen ein Zeichen, mit ihm zu gehen. Er ging voraus, und sie folgten ihm mit fünf Schritten Abstand, kreuz und quer über den Markt. Sie hatten Mühe, ihn in der Menge nicht zu verlieren.
Harry grinste: »Ich komme mir vor wie in einem James-Bond-Film. Warum macht er das? Warum rennt er davon, wenn er doch ohnehin will, dass wir ihm folgen?«
»Er rennt nicht davon. Kaufmann hat mir bei meinem letzten Besuch erklärt, dass die Polizei den Markt überwacht. Es ist verboten, Raubkopien zu verkaufen. Also müssen sie ihre Kundschaft an abgelegene Orte mitnehmen, wo sie die Polizei nicht findet.«
»Das ist ja abenteuerlich! Bist du schon einmal mit so einem Händler mitgegangen?«
Franziska schüttelte den Kopf.
Es wurde noch abenteuerlicher. Der Chinese verschwand in einem Lebensmittelladen. Harry sah Franziska an, Franziska sah Harry an, sie zuckten die Schultern und folgten ihm ins Geschäft.
Drinnen befand sich eine große Theke, hinter der
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