Liebe im Gepäck (German Edition)

herumkommandieren zu lassen. Wer war er denn? Er war Seeberstein. Er war gewohnt, dass man ihn nach seinen Wünschen fragte.Und nicht, dass man ihn wie einen kleinen Jungen zum Umkleiden schickte.
    »Tianjin ist eine der größten Städte Chinas. Sie liegt etwas südlich von Peking, Dort leben nicht nur Melissa und ich, sondern Millionen anderer Einwohner. Aber das ist im Moment nicht wichtig. Wichtig ist, dass es dort eine Kofferfabrik gibt. Wie gesagt, alles Weitere im Auto, und jetzt bitte Beeilung.«

    Eine knappe halbe Stunde später saßen sie in Lukas’ Wagen. Diesmal war das Auto eine große schwarze Limousine mit dunkel getönten Scheiben. Ein Chauffeur in Uniform saß am Steuer und blickte regungslos geradeaus, als sie einstiegen.
    »Was für eine Luxuskarosse.« Diese spöttische Bemerkung konnte sich Harry nicht verkneifen. Das letzte Mal, dass er in so einem Wagen gefahren war, war, als ihn ein amerikanischer Kollege zu einem Presseempfang mitgenommen hatte.
    »Ja, nicht wahr?« Lukas grinste. »Das ist das Auto meines Schwiegervaters. Er ist ein ranghoher Politiker in der Provinz Tianjin. Getönte Scheiben sind hierzulande ein wichtiges Statussymbol.« Er gab dem Fahrer auf Chinesisch Anweisungen, wohin er fahren sollte, dann schloss sich die Scheibe zur Fahrerkabine.
    Lukas wandte sich an seine beiden Gäste, die neben ihm auf der Rückbank saßen und gespannt auf seine Erklärungen warteten. »Also, ich will euch nicht mehr länger auf die Folter spannen. Mei Ling hat erreicht, was ich gehofft hatte.«
    »Wer ist Mei Ling?«
    »Das ist der chinesische Name meiner Frau. Meine Frau heißt Mei Ling. Mei ist der Familienname. Chinesische Frauen nehmen nicht den Namen ihres Mannes an. Diese Sitte ist hier unbekannt. Und es ist auch nicht üblich, dass sie mit den Vornamen angesprochen werden. Hierzulande geben Eltern ihren Kindern lieber einen unscheinbaren Vornamen. Als man in China noch mehrere Kinder haben durfte, benannten sie sie manchmal einfach nach Zahlen. Das erste Kind hieß Eins, das zweite Zwei. Namen, die uns nicht im Traum einfallen würden. Doch hier hat es den Zweck, die schlechten Geister von dem Kind fernzuhalten. In den letzten Jahrzehnten ist es allerdings üblich geworden, dass sich jugendliche Chinesen einen westlichen Vornamen zulegen. Und darum heißt Mei Ling auch noch Melissa. Dieser Name kann dann gefahrlos ausgesprochen werden.«
    »Aha, so ist das.« Franziska war fasziniert und kurz von ihrem eigentlichen Thema abgelenkt.
    Harry war da ungeduldiger: »Was also hat Ihre Mei Ling erreicht?«
    »Ich habe meiner Frau erklärt, dass Franziska und ich alte Freunde sind. Freundschaft ist hier in China etwas sehr Wichtiges.«
    »Könnten Sie bitte auf den Punkt kommen? Für philosophische Betrachtungen haben wir später auch noch Zeit.«
    Franziska legte Harry beschwichtigend die Hand auf den Arm: »Mat, es ist gut. Lukas wird wissen, warum er uns das erzählt.«
    Lukas schenkte ihr ein zärtliches Lächeln. Das trug nicht gerade dazu bei, Harry zu besänftigen.
    »Also, ich erzählte meiner Frau, dass Franziska und ich alte Freunde sind. Freundschaft ist in China etwas sehr Wichtiges, wie ich eben schon sagte. Ich erzählte überdies, dass Franziska und ich aus derselben Stadt kommen. Das ist in China auch sehr wichtig. Wenn man hier Geschäfte machen will, ist es gut, sich von westlichen Vorstellungen zu lösen. Wir im Westen kennen das Individuum, wir streben danach, uns selbst zu verwirklichen. Das ist in China ganz unbekannt. In China ist die kleinste Einheit der Gesellschaft die Familie. Menschen, die außerhalb einer Familie stehen, werden gering geachtet. Wenn man dich also jetzt fragt, Franziska, ob du verheiratet bist, dann sag um Himmels willen, dass du verlobt bist und bald zu heiraten gedenkst. Sag nicht, dass deine Verlobung soeben in die Brüche gegangen ist.«
    »Nett, sie daran zu erinnern!« Harry Stimme triefte vor Hohn.
    Franziska beachtete ihn nicht. »Warum ist das wichtig?«
    »Du bist über dreißig, Franziska, entschuldige, dass ich das sage. Aber in diesem Alter hat eine Chinesin verheiratet zu sein. Sonst denkt man, dass etwas mit ihr nicht stimmt.«
    »So gesehen könnten Bertrand und meine Mutter glatt Chinesen sein. Aber was hat mein Alter wirklich …«
    Lukas hob abwehrend die Hand. »Bevor ihr über mich herfallt: Ich habe diese Regeln nicht aufgestellt. Also bitte, Franziska: Du bist verlobt und wirst in Kürze heiraten, ja?«
    Franziska