Liebe im Gepäck (German Edition)
ich.
geschrieben von Seeberstein auf der Fahrt
zwischen Peking und Tianjin im Juni
verworfen von Seeberstein zwischen Wohnung und Tonstudio
im September
Es war schon lange nach zwei Uhr morgens, als Franziska unter die dünne Decke ihres Hotelbettes schlüpfte. Was für ein Tag! Sie hätte gewünscht, Mat wäre hier bei ihr. Er würde sie wieder im Arm halten, so wie in der vorvorletzten Nacht. Doch daran war dieses Mal nicht zu denken. Franziska kicherte.
Mat war stockbetrunken. Die chinesischen Partner hatten ihm Runden um Runden Mao Tai eingeschenkt. Das war ein einheimischer Schnaps, der, wenn man Mat glauben konnte, geradezu grauenhaft schmeckte.
»Ich habe mich, ehrlich gesagt, gewundert, dass ich mich nicht schon bei Tisch übergeben habe«, hatte er ihr aufstöhnend erzählt, als sie ihn nach ihrem Heimkommen in seinem Zimmer anrief, um sich zu erkundigen, wie der Abend in seiner Männerrunde verlaufen war. »Zum Glück fand ich dafür eine Herrentoilette auf dem Weg nach draußen.«
»Warum hast du denn den Schnaps überhaupt getrunken, wenn du ihn so scheußlich fandest?«, hatte sie wissen wollen.
»Was hätte ich denn tun sollen?« Ein Stöhnen war durch die Leitung gedrungen. »Es war der absolute Wahnsinn, Franziska! Immer und immer wieder ist ein Chinese aufgestanden, erhob sein Glas und rief »Gambe!«. Einer nach dem anderen! Lukas hat gesagt, wir müssen unbedingt mittrinken. Hätten wir uns geweigert, wäre das nicht nur unhöflich gewesen. Deine Geschäftspartner hätten das Gesicht verloren. Und wir auch. Also hab ich mir gedacht: Augen zu und durch! Was hätten wir dir alle denn ohne Gesicht genützt?«
Franziska war gerührt. Es hatte sich noch nie jemand ihr zuliebe betrunken.
Dabei hatte der Nachmittag so seriös begonnen. Zuerst hatten sie den Direktor der Exportabteilüng kennen gelernt. Und den Direktor der Produktion. Zu Franziskas Erstaunen war dieser Direktor eine Frau. Was sie allerdings noch viel mehr erstaunte und nachträglich noch immer erheiterte, war die unerwartete Begrüßung dieser Dame. Mrs. Yang hatte ihr freudestrahlend die Hand gereicht und dazu lächelnd gemeint: »Ich freue mich, dass nun endlich auch Frauen aus dem Westen so weit sind, mit uns Geschäfte zu machen.«
Franziska kicherte in ihr Kopfkissen hinein.
Wie anders war dieses Gespräch verlaufen als ihr Treffen mit den Herren von Yu Yi. Beziehungen. Freundschaften. Auch bei uns zu Hause ein Türöffner. Hierzulande eine absolute Notwendigkeit. Bei Yu Yi hatte Kaufmann für diese Beziehungen gesorgt. Sie selbst war austauschbar: Kam Kaufmann mit Bertrand, der für die Koffer mehr bot, so ließ man sie, ohne mit der Wimper zu zucken, fallen. Dieser Fehler würde ihr nicht mehr passieren. Gut, Lukas hatte ihr hier die Tür geöffnet. Doch sie würde darauf achten, dass diese Beziehung nicht nur über ihn lief. Sie selbst würde ihren Aufenthalt verlängern und zumindest die Anfänge der Produktion überwachen.
Die Anfange der Produktion! Es war unvorstellbar. Hatte es gerade noch so ausweglos ausgesehen, so war sie heute ihrem großen Ziel wieder einen Schritt näher gekommen.
Gut, die Verträge mit »Tianjin Modern Suitcase Production Ltd.« waren noch nicht unterzeichnet. Und doch hatten alle wichtigen Personen der Kofferfabrik mit Interesse ihren Ausführungen zugehört. Sie hatten ihr auch die Stoffe gezeigt, und sie hatte bereits ihre Wahl getroffen. Mats Idee, ein großes Q in den Stoff zu weben, hatte man mit wohlwollendem Nicken zur Kenntnis genommen. Die Vorhängeschlösser aus schwerem Messing waren ebenso wenig ein Problem wie die messingfarbenen Reißverschlüsse. Mat hatte auch noch die Idee, dass ein Lederkoffer in Erwägung gezogen werden sollte. Lederkoffer stellte diese Fabrik nicht her. Aber ein guter Freund, wie Mrs. Yang erklärt hatte, ein guter Freund arbeitete in einer Fabrik am anderen Ende der Stadt, die Lederwaren herstellte. Sie würde einen Termin vereinbaren, gar kein Problem.
In den nächsten Tagen würden sie weiterverhandeln. Mat war großartig in seiner Rolle als Rechtsanwalt.
Franziskas Gesicht begann zu strahlen: Mat. Sie hatte sich schon an diesen Spitznamen gewöhnt. Matthias. Matthias klang noch etwas fremd. Es war toll, wie er sich in dieses Projekt hineinkniete. Es war, als wäre er von Anfang an an ihrer Seite gewesen. Als wären ihre Ideen so in seinen Kopf eingedrungen, dass er sie weiterentwickeln konnte. Und zwar so weiterentwickeln, wie
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