Liebe im Spiel
so etwas wie eine Wegwerf-Ehe nicht gibt. Dein Vater hat es immer gewusst. Darum kam er stets zurück.«
Nancy war überrascht. Sie hatte ihre Mutter noch nie in diesem leicht kritischen Tonfall über die Affären des großen Mannes reden hören. »Du warst die Liebe seines Lebens.«
»Ja, weil ich ihn geheiratet und ausgehalten habe. Aber es war nicht leicht. Was glaubst du, warum ich so alt und runzelig aussah und er nicht? Ich war sein Bildnis des Dorian Gray.« Sie war wieder nüchtern und bemerkte nun Nancys Überraschung. »Oh, Liebling, es war nicht alles furchtbar. Es war meine Wahl, und es ist auch Liddys Wahl. Und zwei Menschen, die ein so perfektes Kind wie meine Linnet haben, sollten verdammt eng verbunden sein.« Sie griff nach ihrem Weinglas. »Schnell noch einen Schluck, bevor ich zur Weisen Frau von Melismate werde.«
Polly stolzierte mit bleichem Gesicht und blitzenden Augen in die Küche.
Rose fragte: »Hast du ihn gefunden?«
Polly antwortete nicht. Sie schleuderte einen vernichtenden Blick durch die Küche und stürmte dann aus der Hintertür wie die böse Fee bei der Taufe.
Nancy erfuhr alles eine halbe Stunde später, als sie eine schlafende Linnet die Treppe hinauftrug. Die Tür zu Lydias Zimmer stand ein wenig offen. Lydia und Ran lagen tief schlafend und selig umschlungen im zerwühlten Bett.
Kapitel Vierzehn
Rufa wartete an der Kreuzung vor dem Caledonian Hotel, stemmte sich gegen den Wind. Das tägliche Leben in dieser Stadt war ein endloser Nahkampf gegen den Wind. Dichtes Schneegestöber stach Rufa ins Gesicht. Die Kälte war unglaublich. Ihre Hände schmerzten in den Handschuhen.
Dann, kurz davor zu weinen, beschlich sie erneut das seltsame, durchaus nicht unangenehme Gefühl der Entrückung. Der dröhnende Verkehr, die Menschenmengen, die Fenster mit Weihnachtsbeleuchtung – alles war unwirklich und zweidimensional, wie ein Bild. Rufa versuchte sich daran zu erinnern, wie sie wieder zu ihrer Wohnung zurückgelangte. Sie hätte dort bleiben sollen, in ihren Mantel und das geliehene Federbett gewickelt.
Aber sie musste ein Geschenk für Linnet finden. Das war ein schwieriges Unterfangen. Für das Teeservice, das sie Linnet zum Geburtstag gekauft hatte, war sie Stunden mit glasigen Augen in Spielzeugläden herumgewandert. Dann hatte sie Geschenkpapier, eine Karte und eine Henkeltüte finden müssen. Früher hätte sie das alles in einer Stunde erledigt. Heute erforderte anscheinend alles unendliche Energie. Dann hatte sie in der Schlange vor dem Postschalter einen Schwächeanfall erlitten, was sehr peinlich gewesen war. Es waren viele laute alte Damen in der Post gewesen, die ihre Rente abholen wollten, und es war schwierig gewesen fortzukommen. Sie hatten einen Krankenwagen rufen wollen, ließen aber davon ab, als Rufa log, sie sei schwanger. Schwanger zu sein schien alle Arten medizinischer Gräuel zu erklären.
Sie hatte den Schwächeanfall wahrscheinlich erlitten, weil sie nicht aß. Es war nicht so, dass sie kein Interesse am Essen hatte – es schien nur einfach nichts mit ihrem Körper zu tun zu haben. Brokkoliköpfe, große Stücke Fleisch, Brotscheiben, Teller aus weißem Porzellan, Metallgabeln – das war für sie alles dasselbe. Die gewaltige Anstrengung, Dinge in ihren Mund zu schieben, erschöpfte sie.
Es ging ihr jedoch gut, wenn sie nicht zu viel über die falschen Dinge nachdachte. So wie über die quälenden Weihnachtsdekorationen, die ihr Herz nach Hause zogen. Das Zuhause, nach dem sie sich sehnte, schien unendlich fern. Sie hatte das Heim des großen Mannes retten wollen, und sie hatte sich selbst daraus verbannt.
An Edward zu denken erfüllte sie mit Wärme. Sie hatte diese Wärmeschauer, die allen Lärm dämpften und den Boden unter ihren Füßen schwammig werden ließen, erst kürzlich bemerkt. Rufa sah wie von ganz weit her, dass die Fußgängerampel an der Kreuzung auf Grün geschaltet hatte. Die Menschen um sie herum wogten über die Straße. Die Ampel schaltete wieder auf Rot, bevor Rufa sich daran erinnerte, dass sie auch hatte hinübergehen wollen. Warum geschah alles so schnell?
Eine Hand umfasste ihren Oberarm. »Rufa? Bist du das wirklich.«
Sie wandte den Kopf und sah – ausgerechnet – Adrian Mecklenberg.
Adrian reagierte so untadelig rücksichtsvoll, wie man es von einem Mann erwarten sollte, der nach absoluter Perfektion strebte. Es war, als folge er Anweisungen aus einem geheimnisvollen Benimmbuch – Wie man Sich Verhält, Wenn
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