Liebe im Spiel
Nancy hörte im Hintergrund Gläserklingen und wohlerzogenes Lachen. »Ist er unterwegs? Es ist schon halb acht vorbei – die Gäste sind hier – schieb ihn ins Auto und schick ihn herüber, bevor ich verrückt werde!«
»Tut mir Leid, aber er will nicht ans Telefon kommen. Er sagt, er kommt später.«
»Später! Was, zum Teufel, bedeutet das?«
»Ich muss jetzt wirklich auflegen, Polly, wenn du mich entschuldigen würdest – Pflichten einer Gastgeberin und so. Bye!« Nancy legte auf. Sie merkte, dass ihr die schreckliche Frau Feldmarschall ein wenig Leid tat. Polly hatte alle Brücken hinter sich abgerissen, nur um festzustellen, dass Ran nicht halb so gefügig war, wie er schien. Um dieses Idioten willen hatte sie Berry aufgegeben, den besten Mann auf der ganzen Welt. Es lag ein gewisser Trost in dem Wissen, dass sogar Leute, die sich als Experten im Hochzeitsspiel betrachteten, bei der letzten Hürde auf die Nase fallen konnten.
»Liddy …« Ran zupfte drängend an ihrem scharlachroten Ärmel. »Um Gottes willen, ich muss mit dir reden!«
»Gleich«, sagte Lydia. »Hast du was gegessen?«
»Nein. Ich will nichts.«
»Bist du sicher? Der Schmortopf ist köstlich.«
»Wie lange willst du das noch weitertreiben? Oh, bitte!«
Die Küche war bevölkert. Lydia, Selena und Nancy hatten gerade eine lange Reihe Teller gefüllt. Roger bereitete ein Dutzend Becher Tee. Rose, die Augen vor Hochstimmung glänzend, eilte von Gruppe zu Gruppe, um Gläser nachzufüllen. Laute Unterhaltungen schallten durch den Raum.
»Ich kann nicht einfach weggehen«, sagte Lydia ruhig. »Ich sollte auf die Mädchen achten und sicher stellen, dass sie außer Schokoladenkonfekt noch etwas anderes essen.« Ihr süßes Lächeln erhellte ihr zartes Gesicht, während sie zu Linnet und ihren beiden Freundinnen hinübersah, die auf kleinen Stühlen um Linnets Miniaturtisch saßen. Die Ressany-Brüder, die normalerweise mit Linnet aßen, waren auf die Anrichte verbannt worden. Die Mädchen waren rußverschmiert, kicherten heftig und machten lauthals Bemerkungen, die das Wort Hintern enthielten.
»Es geht ihnen gut«, sagte Ran. »Bitte, Liddy – ich muss wirklich mit dir reden.«
Der Moment war gekommen. Lydia fühlte sich überraschend wohl und ruhig. Ran hatte endlich gemerkt, dass ihre Verwandlung bis tief unter die Haut ging. Sie hatte sich einem schmerzvollen Denkprozess unterzogen. Um es grob auszudrücken, hatte sie den Markt getestet und ihren wahren Wert in Erfahrung gebracht. Ran wusste nicht, dass sie den armen Phil Harding bereits abgewiesen hatte – der nach jedermanns Einschätzung zehnmal so viel wert war wie ihr Exehemann. Polly an jenem demütigenden Nachmittag anzuschreien hatte Lydia etwas klargemacht. Es hatte ihr gezeigt, wie tief sie gesunken war. Sie hatte sich mit den Augen einer Fremden betrachtet – eine ramponierte, doofe kleine Verliererin. Wie konnte ein so schlichter Mann wie Ran solch ein jämmerliches Wesen begehren? Da hatte sie beschlossen, beim Spielen des Hochzeitsspiels eine Wende zu vollziehen, und der abscheulichen Polly die Tour zu vermasseln. Es war den Versuch wert, wenn so viel Glück auf dem Spiel stand.
Sie fragte: »Können wir nicht hier drinnen reden?«
»Nein!«
»Nun, okay.« Küche, Salon und Große Halle waren bevölkert. »Dann sollten wir besser nach oben gehen. Fass dich jedoch kurz.«
Sie führte ihn die unebene Holztreppe hinauf. »Ich habe nichts dagegen, etwas vom Feuerwerk zu verpassen, aber direkt danach singen wir.«
Ran beeilte sich, um mit ihr mitzuhalten. »Ihr singt?«
»Wir haben einige Madrigale geprobt.«
»Hmm – das war vermutlich Kahlkopfs Idee.«
»Nein«, sagte Lydia gelassen, »es war meine. Bestimmt hättest du rituelle Gesänge aus dem Regenwald vorgezogen, aber ich singe gerne Madrigale. Phil sagt, die Akustik in der Großen Halle sei perfekt.« Sie betrat ihr Schlafzimmer und schaltete die Lampen ein. »Also rede.«
Ran war verdutzt. Er hatte Lydias Schlafzimmer seit lange vor der Renovierung Melismates nicht mehr gesehen. Er hatte unbewusst die vertrauten abblätternden Wände und Haufen abgetragener Kleidung erwartet. Auf dieses bezaubernde, elegante, von Lampen beleuchtete Boudoir war er nicht vorbereitet.
»Ich kenne dich nicht mehr«, sagte er wehleidig. »Was ist mit dir geschehen?«
»Nichts. Ich war schon immer so, wenn du dir jemals die Mühe gemacht hättest, es herauszufinden. Ich mag wunderschöne Musik und hübsche Dinge. Ich
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