Liebe im Spiel
er nun aussähe. Sogar seine Schwester, die normalerweise seine Gedanken lesen konnte, gratulierte ihm zu dem Entschluss, nicht zu einem selbstgefälligen Erzkonservativen zu werden.
Polly war entzückt. Warum, fragte sich Berry, merkte sie nichts? Wie konnte sie einen Mann heiraten wollen, der vor Liebe zu jemand anderem entbrannt war? Er erlaubte sich das unwesentliche Vergnügen, wegen ihrer Selbstzufriedenheit ärgerlich auf Polly zu sein, aber mehr auch nicht. Er war noch immer entschlossen, sie zu heiraten. Auf seinem Grabstein sollte stehen, dass er ein Mann war, der sein Wort hielt.
Mitte März berichtete Nancy Rufa, sie mache extrem gute Fortschritte. »Er wird nicht mehr lange standhalten. Sobald es wärmer wird, werde ich etwas Unterwäsche weglassen. Er steht an der Schwelle, mich um ein Date zu bitten.«
»Es ist wohl eine große und geräumige Schwelle«, sagte Rufa. »Er scheint es nicht eilig zu haben, sie zu überschreiten.«
Sie war sehr blass, mit hellen, fiebrigen Augen. Sie hatte am Abend eine Verabredung zum Essen mit Adrian. Die Bedeutung dessen war für das bloße Auge nicht sichtbar, aber er hatte Andeutungen gemacht, dass es ein wichtiges Stadium ihres Werbens markieren würde. Jedes Treffen mit Adrian beinhaltete einen kleinen Test, und sie hatte bisher jeden einzelnen mit Bravour bestanden.
Nun zog er einen weiteren Schleier beiseite, indem er sie zu einem Essen bei seiner Schwester in Holland Park mitnahm. Die Offenbarung, dass er überhaupt eine Schwester hatte, war in sich schon erschreckend vertraulich gewesen. Ihr Name war Clarissa Watts-Wainwright, und sie war, soweit Rufa es ergründen konnte, der Mittelpunkt von Adrians engem Freundeskreis. Sie vermutete, dass dies die letzte Prüfung war, bevor die Startbahn für sexuelle Kontakte geräumt wurde. Bisher hatte Adrian sie, wenn sie sich trafen und sich wieder trennten, nur auf die Wange geküsst – mit fast unmerklich zunehmender Herzlichkeit. Rufa (obwohl sie Nancy nichts gesagt hatte, da sie es niemals verstehen würde) war gespannt, wie sie bei dem unvorstellbaren Ereignis reagieren würde, dass Adrian weiterginge.
Sie mochte ihn. Seine kühle Reinlichkeit zog sie an, wie auch seine Zurückhaltung – sie hätte keinen Mann ertragen können, der sie betatschte. Tief innen (und das hätte sie Nancy gegenüber in einer Million Jahren nicht zugegeben) war sie gespannt darauf, ob sich ihr von Verlangen freier Körper bereitwillig auf den Sex mit ihm einlassen würde.
Die bevorstehende Gelegenheit erforderte einen Smoking. Rufa hatte ihre ersten beiden professionellen Essen gekocht (für eine charmante, verrückte Bekannte von Polly, die vor Titeln strotzte) und hatte ihre Einkünfte in ein langes, mitternachtsblaues Chiffonkleid investiert. So fühlte sie sich nicht so schuldig wegen Edwards schwindendem Geld. Allein der Gedanke an Edward löste einen Schwall von Schuldgefühlen aus. Sie bereute ihren Streit bitterlich.
Roshan, der als ihre Kammerzofe fungierte, steckte ihr langes Haar im Nacken zu einem Knoten fest. »Denk daran, Schätzchen – wenn die Dinge zu langsam voranschreiten, dann zieh die oberste Nadel heraus, und dein Haar wird mit hinreißender Wirkung herabfallen.«
Wendy seufzte. »Du siehst phantastisch aus. Ich wünschte, der Mann könnte dich sehen.«
»Er würde das Kleid direkt von deinem Rücken weg verkaufen«, sagte Nancy mürrisch. Sie hasste es, Rufa als Opfer zurechtgemacht zu sehen.
Nach zwei oder drei Mittagessen im Verlaufe der Beziehung hatte Rufa Adrian von der wahren Situation in Melismate erzählt. Er wusste jetzt genug, dass er den Wagen nach Tufnell Park schickte. Er kam nie selbst. Nancy widerte sein Snobismus an. Rufa sah das anders und wusste sein Taktgefühl zu schätzen.
Als sie in dem riesigen, mit Stuck verzierten Haus eintraf, hatte sie das Gefühl, Tufnell Park vollkommen hinter sich gelassen zu haben. Adrian kam – elegant und rein wie eine polierte Klinge – in die Halle, küsste sie auf die Wange und nahm ihr den sündhaft teuren Pashmina ab, auf dessen Kauf Roshan bestanden hatte.
Er murmelte: »Du bist wunderschön.« Sie betrat an seinem Arm den Salon.
Adrians Schwester war eine weibliche Version von Adrian: weniger offensichtlich gut aussehend, aber ebenso makellos kühl und mit derselben Schattierung grauen Haars. Rufa bemerkte, während sie im Raum bekannt gemacht wurde, dass alle anderen einander kannten. Sie war hier um mindestens zwanzig Jahre die Jüngste.
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